Mein Gott und ich
Autorin: Christiane Thiel
Alles beginnt mit der Auseinandersetzung zwischen einer Schülerzeitung und den Evangelikalen Christen. Die liberalen jugendlichen Autoren Jonas und Konrad kritisieren die ultrakonservative Glaubensvereinigung wegen nationalistischer, antisemitischer, frauen- und schwulenfeindlicher Propaganda bei einem Kirchentag, diese wehren sich gegen die Vorwürfe. Der Streit schlägt Wellen und eine Professorin, Britta von Flössen, erfährt davon.
Sie kontaktiert die jungen Journalisten und gemeinsam schreiben sie online einen Wettbewerb aus: „Denk weiter! Leb anders!“ Neun Jugendliche sollen hier die Chance bekommen, eine Woche in einer religiösen Familie zu verbringen und deren Lebens- und Glaubenswelt hautnah zu erleben. Die Auswertung der über 500 Anfragen scheint langwierig und schwer zu werden. Doch schnell kristallisiert sich für das Organisationsteam heraus: Die Plattenclique hat gewonnen – die zehn Jugendlichen um den geheimnisvollen Igor (der der Grund für ihre Teilnahme ist) dürfen in den Ferien eine Woche in einer der religiösen Familien leben.
Ein Muslim verbringt acht Tage bei liberalen Juden (eigentlich sind Muslime und Juden aus religiösen Gründen „verfeindet“), ein anderer Teilnehmer landet in einer evangelikalen Familie und stellt fest, dass es auch hier starke Unterschiede in der Radikalität gibt – während die Mutter (Gynäkologin) eher liberal und aufgeklärt auftritt, ist ihr Mann als Wanderprediger gerade einer von denen, die bei dem von der Schülerzeitung kritisierten Kirchentagsveranstaltung mitwirken.
Außerdem gewähren eine evangelische, eine katholische, eine jüdisch-orthodoxe, eine muslimisch-liberale, eine muslimisch-orthodoxe und eine hinduistische Familie Einblicke in ihren Alltag. Dass Liberal immer für „Freigeistig“ oder offener für die Entwicklungen der modernen Gesellschaft, orthodox hingegen für konservativ und stark in den religiösen Regeln und der Gemeinschaft eingebunden bedeutet, wird den Jugendlichen schnell klar.
Zu Beginn der Woche „Abenteuer Religion“ versprechen die Mitglieder der Plattenclique, jeden Tag zumindest ein Mal per Blog von sich hören zu lassen oder miteinander zu kommunizieren – so hat das Organisationsteam (und damit im Buch der Leser) eine Auswertung der Tage und ein „Wettbewerbsergebnis“. Spannend ist es hier, auf wie unterschiedliche Gewohnheiten die Jugendlichen stoßen und wie sie damit umgehen – weil zum Beispiel bei den Muslimen die Frauen immer in einem anderen Zimmer sind als die Männer hält irgendwann ihr Gast im Blog fest „Irgendwie freue ich mich auf meine Schwestern. Die sind zumindest nicht immer unsichtbar, sondern versuchen nach Kräften, mich zu nerven.“ Es wird eine Woche voller Erfahrungen und spannender Erlebnisse für die Jugendlichen – doch das Rätsel um Igor bleibt ungelöst, wächst eher noch: Wer ist er? Wieso ist er so versessen aufs Beten? Wo sind seine Eltern? Glaubt er oder glaubt er nicht? Die Spannung steigt, denn kurz vor dem großen Abschlussfest ist Igor plötzlich verschwunden… Nun muss sich zeigen, wie viel Freundschaft, Glaube und Liebe ausrichten können.
„Mein Gott und ich“ von Christiane Thiel ist ein tolles, abwechslungsreiches Buch, das gerade durch das kommunikative Tagebuchformat sehr unterhaltsam ist. Gleichzeitig lernt man nebenbei viel über die großen Religionen und lernt nicht nur die Charaktere, sondern vielleicht sogar sich selbst bei der Lektüre ein bisschen besser kennen.
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Autorin / Autor: firstmary - Stand: 5. Oktober 2009