Weggesperrt
Autorin: Grit Poppe
Einbandgestaltung von David B. Hauptmann
WEGGESPERRT! Rot ist das Wort quer über den Buchdeckel gedruckt. Dahinter: Eine Tür, verschlossen, verriegelt. Eine Arrestzelle, Gefängniszelle?
Durch einen Spalt schauen dich Augen an. Entsetzte, ängstliche, wütende, resignierte, alleingelassene, hoffnungslose, beobachtende?
Auf jeden Fall holen sie dich, nur dich allein, in das Leben von Anja.
Sie ist 14 und ist in der DDR des Jahres 1988 zu Hause. Das würde schon reichen an Umständen um ein anderes Leben zu führen als wir.
Aber Anjas Mutter wehrt sich gegen das System und als sie schließlich einen Ausreiseantrag stellt, wird sie verhaftet. Von der Stasi. Staatssicherheit. Einfach so.
Und Anja? Die soll wieder auf den „richtigen“ Weg gebracht werden. Also: Jugendwerkhof. Das ist eine Einrichtung der Jugendhilfe, aber dahinter verbirgt sich ein Heim, in dem die Kinder völlig der Willkür der Erwachsenen ausgeliefert sind. Erwachsene, die sich Erzieher nennen und doch eher Gefängniswärtern gleichen. Auch unter den anderen Jugendlichen findet Anja fast nur Gewalt und Gefühlskälte. Hinzu kommen der tägliche Drill, die Arbeit, Strafen...
Immer wieder fragt Anja sich, was sie verbrochen hat. Schließlich entscheidet sich das Mädchen zu fliehen. Anja schafft es auch und kommt bei Verwandten unter, die mit gemischten Gefühlen reagieren. Doch dann wird sie entdeckt und muss zurück.
Aber eines Tages passiert etwas, was nie hätte passieren sollen. Anja wird handgreiflich und verletzt eine Erzieherin. Zur Strafe kommt sie nach dort, nach Torgau. Von da ist noch nie jemand abgehauen. Und alles ist noch schlimmer.
Freiheitsentzug, Isolation, Zwang, Drill, Strafen wie Zwangssport... und alles ohne Verfahren und ohne Möglichkeiten dem allem zu entkommen. Aber Anja übersteht es. Irgendwie.
Sie hat einen Unfall, muss ins Krankenhaus. Hier kann das Mädchen endlich fliehen. Sie kommt nach Leipzig.
Wie es weiter geht? Vielleicht hat sie es am Ende des Buches geschafft? Das sage ich nicht mehr. Lest es selbst.
Das Buch ergänzt auf eine sehr einfühlsame und dennoch schockierende Art und Weise das Wissen aus dem Geschichtsunterricht.
Es zeigt eine Facette aus dem Leben in der DDR wie ich es so eindrücklich und lebendig noch nie gelesen habe. Man erfährt nicht einfach Tatsachen in eine Geschichte verpackt, sondern man bekommt ein Gefühl, wie es für Anja gewesen sein muss.
Auch für Jugendliche, die vielleicht noch nicht so viel über die DDR wissen ist das Buch geeignet, weil man unbekannte Begriffe im Glossar nachlesen kann. Auch befindet sich am Ende des Buches eine Chronik über die „Friedliche Revolution“.
Ich weiß nicht, wie wahrscheinlich es ist, sich in einem Durchgangsheim in einen Jungen zu verlieben und ihn in Torgau und selbst draußen wiederzufinden. Wo doch der Kontakt zwischen Jungen und Mädchen streng verboten und fast unmöglich ist. Aber das entscheidet wohl jeder Leser für sich.
Autorin / Autor: islenski.hesturinn - Stand: 7. September 2009