Der Kick - ein Lehrstück über Gewalt
Autor: Andres Veiel
Ausgezeichnet mit dem deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte Sachbuch.
Das Opfer. Die Täter. Das Dorf. Unser Land.
„Der Kick – Ein Lehrstück über Gewalt“ von Andres Veiel ist eine Dokumentation über einen schockierenden Mord an einem 16-Jährigen Jugendlichen.
In der Nacht vom 12. Juni auf den 13. Juni 2002 wird der 16-Jährige Jugendliche Marinus Schöberl in Potzlow in der Uckermark, nahe Berlin, stundenlang gequält und misshandelt, um anschließend durch einen so genannten „Bordsteinkick“ getötet zu werden. Die Täter sind zwei Brüder, Marco und Marcel Schönfeld und ein Freund Marcels, Sebastian Fink. Obwohl es mehrere Zeugen gegeben hatte und das Opfer durch das halbe Dorf getrieben worden war, wurde erst Monate später der Fall aufgedeckt; lange galt Marinus als vermisst. Die Dorfbewohner hatten geschwiegen. Die Tat hatte viel Aufsehen erregt und war mehrere Tage lang in den Zeitungen zu lesen gewesen. Die Täter wurden als Monster abgestempelt, das Dorf, in dem die Tat passierte, als Faschodorf. Dies auch, weil die Täter der rechten Szene angehörten.
Das Buch versucht die Hintergründe der Tat aufzudecken. Es ist in zwei Abschnitte unterteilt, der 1. Teil heißt „Der Kick“. Hier werden die Täter, Zeugen und Angehörige der Täter und des Opfers zitiert. Sie geben ihre Sicht der Dinge wieder, zum Teil direkt über die Tat, aber auch über die betroffenen Familien und die Lage des Dorfes an sich. Der zweite Teil namens „Annäherungen“ beginnt mit den Biographien der Täter und des Opfers. Danach wird der Vorgang der Tat erläutert, die Zeit danach, und schließlich die verschiedenen Zusammenhänge, wie es überhaupt zu dieser Tat kommen konnte. Mit Ansichten und Einsichten wird die derzeitige Lage der Täter beschrieben und wie sie sich ihr weiteres Leben vorstellen und was ihre Ziele sind. Der Epilog am Schluss bringt den Lesern letztlich noch einmal die Vorgehensweise des Autors näher und auch die Schwierigkeiten, die es zu überwinden galt.
*Meine Meinung*
Dieses Buch wühlt einen innerlich auf. Das Thema ist keine leichte Kost, und mehrmals war ich gezwungen, es beiseite zu legen, um mich emotional wieder zu beruhigen. Der begangene Mord ist schrecklich, dies wird spätestens bei der Tatbeschreibung klar. Dennoch wird auch deutlich, dass es falsch ist, die Täter vorschnell als „kranke Monster“ abzustempeln. In der Vergangenheit waren sie selbst oft Opfer von Gewaltverbrechen, sie wuchsen in einer Gemeinschaft auf, in denen viele Themen tabuisiert wurden und auch immer noch werden.
Natürlich ist dies keine Entschuldigung für die Tat, die gibt es nicht. Aber es zeigt, dass solche Taten nicht einfach vom Himmel fallen. Die Gründe liegen weit in der Vergangenheit zurück, in diesem Falle unter anderem im Nationalsozialismus, in der DDR und schließlich auch in der Wende.
Obwohl die Tat unverzeihlich ist, konnte ich mich nicht des Mitgefühls der Täter gegenüber erwehren. Ich habe geheult, wegen des Opfers, aber auch wegen der Täter. Dies mag im ersten Moment unverständlich klingen, doch spätestens bei den Biographien wird klar, dass auch die Täter vieles durchmachen mussten, ohne dies sie wahrscheinlich nie Täter geworden wären.
Was ich am Buch sehr gut fand, war, dass es nicht nur oberflächlich die Tat behandelt, sondern auch wirklich tief in die Hintergründe hineintaucht und Seiten zur Sprache bringt, an die man zuerst überhaupt nicht denkt. Es animiert einen zum Nachdenken. Es zeigt, dass auch Täter Hilfe brauchen, Hilfe um wieder auf den richtigen Weg zu finden.
Auch ist es nicht einfach eine trockene Dokumentation, es lässt sich trotz des schweren Stoffes flüssig lesen. Dennoch war ich froh, als ich es beendet hatte, obwohl das Thema faszinierend und auch interessant angegangen worden ist. Es war nicht einfach dieses Buch zu lesen, psychisch.
*Erschienen bei: cbt*
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Autorin / Autor: auro - Stand: 12. Januar 2009