Alle Jahre wieder. Auch im Jahre 2014 wird uns Topmodel Heidi Klum zum gefühlt achtundneunzigsten Mal verkünden, dass in ihrer Castingshow nun wieder die schönsten Mädchen Deutschlands um den Titel des Germany’s Next Topmodel gegeneinander antreten werden. Und diese besagten schönsten Mädchen Deutschlands haben allesamt die gleichen äußerlichen Attribute: Groß und dürr. Mit ihren schier endlos langen Beinen stolzieren sie auf ihren High Heels und im Bikini über den Laufsteg, sodass jeder Zuschauer die Angst bekommt, dass diese bedrohlich dünnen Beinchen jeden Moment durchbrechen könnten. Aber wer kennt sie nicht?! Diese Mädchen, die im Laden fragen, ob die Hose nicht vielleicht auch in Größe XS da ist und diese dann trotzdem nur mäßig gut den knöchernen Leib bekleidet. Oder die Mädchen, bei denen im Freibad aufgrund der herausragenden Beckenknochen das Bikinihöschen überhaupt nicht am Körper anliegt. Und es sind die Mädchen, denen im Park die Enten das Brot zurückwerfen, weil sie es vielleicht doch besser einmal selber mit Essen versuchen sollten, als es großzügig zu verteilen.
Doch darauf kommt es gar nicht an, lassen wir uns doch von Heidi höchstpersönlich aufklären: „Es heißt nicht: Dünn oder Magersucht. Aber zu voluminös kannst du nicht sein. Du musst tiptop in Shape sein“ (Heidi Klum, In: Bunte, 29.05.2013).
Na das ist doch mal was. Ist „voluminös“ das neue Wort für „dick“? Ein schönes Wort, das dem Empfänger dieser Botschaft nicht gleich die volle Bandbreite des Inhalts direkt vor den Latz knallt? Denn gehen wir doch mal ganz nüchtern an die Sache heran. Physikalisch gesehen, bezeichnet Volumen die Ausdehnung eines Körpers. Das heißt, laut Frau Klum muss Frau (oder Mädchen, wenn man ihre zum Teil noch sechszehnjährigen Kandidatinnen in der Fernsehshow Germany’s Next Topmodel betrachtet) den Mittelweg zwischen Magersucht und einer nicht zu großen Ausdehnung des Körpers finden, um diesen perfekt „in Shape“ zu bringen. Vielleicht kann Sie ja bei Gelegenheit mal eine Anleitung veröffentlichen, wie ich denn am besten so eine Topfigur bekomme. Also falls Sie denn überhaupt die Zeit dafür findet, zwischen Standpauken für eine Portion Pommes in ihrer Castingshow und dem Dreh einer neuen McDonalds-Werbung.
Aber bevor ich nun den Hass sämtlicher Menschen auf mich ziehe. Nein, dieser Text soll keine Hetz-Kampagne gegen dünne Mädchen werden. Ich kann es ja verstehen, dass es Mädchen und Frauen gibt, die einem solchen Schönheitsideal nachjagen. Es wird uns ja auch tagtäglich auf sämtlichen Wegen eingetrichtert, wie eine schöne Frau zu sein hat: Schlank, trainiert, aber gleichzeitig soll sie mit den tollsten weiblichen Attributen, wie einem atemberaubenden Dekolleté und einem prallen Po, ausgestattet sein.
Da wird der Gang durch die Stadt schon mal zur reinsten Qual. Der Blick geht nach rechts: H&M Werbung. Model. Dünn. Und dann wird die Aufmerksamkeit automatisch auf die linke Seite gelenkt, von dem unbeschreiblich köstlich riechenden Pizzageruch, der einem blitzartig das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Und dieser Zwiespalt setzt sich doch Meter um Meter fort, egal wo man geht und steht.
Ich bin es leid zu verzichten. Und ich bin es leid, den Spruch aufsagen zu müssen „Ich bin nicht perfekt und habe meine Problemzonen, aber dafür habe ich sicher andere Qualitäten“, nur um mich vor anderen, dünneren und vermeintlich schöneren Frauen zu rechtfertigen. Und genauso bin ich es leid, einem aktuellen Modetrend hinterlaufen zu müssen und mich in Kleidung zu zwängen, bei der mir mein Spiegelbild das Wort „Presswurst“ zuruft, nur um hipp zu sein.
Na selbstverständlich sind meine Hüften gut gepolstert und natürlich wären mir im Sommer in kurzen Shorts manchmal Pfirsich-Oberschenkel lieber als meine Orangenhaut. So what?
Ich liebe einfach Essen. Mich macht es tausendmal glücklicher, mir abends mein Lieblingsgericht zu kochen oder mir im Kino die Portion Nachos zu gönnen, als verzweifelt an einer Reiswaffel zu knabbern, nur damit mir die Waage am nächsten Morgen 200 Gramm weniger anzeigt.
Und deswegen lasse ich mich auch nicht von irgendwelchen Werbeikonen in Schubladen stecken, in der nur ein Schönheitsmaß gilt. Ich bin perfekt, so wie ich bin. Und Problemzonen habe ich nur dann, wenn ich sie selbst zu welchen mache, und nicht, weil mich magere, mit Photoshop bearbeitete Models von den Covern sämtlicher Zeitungen lasziv anlächeln.
Vielleicht ist aus Sicht des Modelbusiness mein Körper nicht „tiptop in Shape“, aber auch eine Heidi Klum kann sich nicht gegen die Evolution wehren, die uns alle zu Individuen gemacht hat. Also wer bitte hat diesen Leuten das Recht gegeben, für über 7 Milliarden Menschen auf der Welt ein einziges, gültiges Schönheitsideal festzulegen?