Es ist mein Körper
Einsendung zum Schreibwettbewerb "KörperGEFÜHLE" von Bianca, 23 Jahre
Früher habe ich mich im Spiegel betrachtet und mich gehasst. Aber eigentlich habe nicht ich mich gehasst, die Gesellschaft hat mich gehasst und diesen Blick auf mich selbst übertragen.
Meine Haare hängen schlapp herunter, immer wenn ich versuche etwas mit ihnen zu machen, hält es sowieso nicht. Mittlerweile habe ich sie schwarz gefärbt, aber auch das macht es nicht besser.
Wenn ich weiter gucke, sehe ich meine Brüste. Viel zu groß und fleischig, so etwas ist doch nicht schön. Wer kann so etwas schon schön finden? Weiter zu meinem Schwabbelbauch, ja auch hier sagt mir die Gesellschaft, dass ich mich deswegen nicht schön fühlen darf. Die Dehnungsstreifen sind Zeichen meiner Schwäche, das Fett Zeichen meiner nicht vorhandenen Disziplin. Mein Blick wandert zu meinem Arm. Narben. Auch die darf niemand schön finden. Niemand darf wissen was hinter ihnen steht, deswegen verstecke ich sie. Warum sollte es auch jemanden interessieren? Weiter zu meinen Beinen. Meine Oberschenkel klatschen beim Laufen aneinander, meine Knie sind knubbelig. Ach und meine Füße, habt ihr euch die mal angeguckt? Kleine, hässliche Füße mit abstehenden Zehen.
Lange Zeit haben mich diese Gedanken gelähmt, mir vorgeschrieben wie ich zu leben habe. Wenn ich mich hübsch gemacht habe, war immer der Gedanke in meinem Hinterkopf, dass ich mich aber nicht wirklich schön fühlen darf. Jemand wie ich darf sich nicht schön fühlen.
Mittlerweile habe ich etwas gelernt. Ich habe gelernt, dass die Gesellschaft mein Leben nicht lebt. Ich muss mich nicht rechtfertigen.
Meine Haare hängen runter, aber mittlerweile sind sie hell und kurz. Es sieht gut aus. Ich versuche einen Blick in meine Augen zu erhaschen, weil ich diese am schönsten in meinem Gesicht finde. Meine Lippen sind zersprungen, weil ich noch immer manchmal mit der Ansicht der Gesellschaft zu kämpfen habe. Mein Blick wandert runter. Der BH den ich trage, lässt meine Brüste schön aussehen. Niemand sieht, dass sie fleischig aussehen und niemand braucht es sehen. Es geht niemanden etwas an. Auch mein Bauch ist noch schwabbelig, aber das ist okay. Manchmal fühle ich mich schlecht wenn ich einen Keks esse, aber es geht mir nicht grundsätzlich schlecht. Mir ist egal ob die Gesellschaft es schön findet oder nicht. Meine Dehnungsstreifen sind Tigerstreifen. Die Narben an meinem Arm zeugen von Stärke, nicht von Schwäche. Ich habe überlebt. Ich habe eine schwere Zeit alleine überlebt, wer kann das schon von sich sagen? Ich bin etwas besonderes. Meine Oberschenkel werden nicht so schnell kalt und meine Knie sind immer noch knubbelig, aber ich mag das Gefühl drüber zu streichen. Meine Füße sind okay, ich muss sie ja nicht jeden Tag begutachten.
Und auch wenn ich mir nicht mehr vorschreiben lasse wie ich mich selbst zu sehen habe, war dies ein schwerer Weg. Immer wieder schlägt die Gesellschaft zurück. Schaut euch die neuen Super-Size-Models an, so sehe ich nicht aus, aber so sollte ich nach Meinung der Gesellschaft aussehen. Aber es geht niemanden etwas an, wie ich aussehe oder wie ich aussehen sollte. Es ist mein Körper und ich muss mit ihm leben. Es sind meine Gedanken und ich sollte sie bestimmen. Es ist mein Leben und niemand sollte meinen sich erlauben zu dürfen es zu bewerten. Niemand, schließlich ist es doch mein Körper oder nicht?
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Autorin / Autor: Bianca, 23 Jahre