Schwach

Einsendung zum Schreibwettbewerb "KörperGEFÜHLE" von Michèle, 20 Jahre

Ich fliege.
Lande sacht auf dem Boden, spring in die Luft - und entziehe mich der Schwerkraft.
Unter mir die von Nebel eingehüllte, mystisch glänzende Stadt.
Ich atme tief; die Luft schmeckt minzfrisch.
Frei. Ich fühle mich frei.
Mein Haar wirbelt sanft; meine Haut glüht fiebrig und strahlt wohlige Wärme bis in meine Knochen.
Ich bin ganz. Vollkommen. Lustvoll. Schön.
Ich schließe meine Augen und lass mich tragen.
Unter funkelnden Sternen, über das Glitzern der Stadt.

Ich falle.
Ich falle unaufhaltsam, werde schneller und schneller.
Ich falle vom Himmel durch meinen Magen in mein Bett.
Mein Herz rast, die Luft ist stickig und eine Decke liegt schwer auf mir.
Meine Lider sind unentschieden, ob sie sich öffnen oder schließen wollen.
Oder können.
Es ist dunkel.
Ich fühle mich vom Fall in die Dunkelheit überwältigt und will sehne mich nach Licht.
Eine Ameisenkolonie protestiert in meinen Beinen.
Ich bin unruhig.
Ich will meine Beine schütteln.
Ich will mich aufsetzen und nach dem Lichtschalter reichen.
Ich will mich ...befreien.
Von der schweren Decke, von den Ameisen in meinen Beinen, von der Dunkelheit die mich umgibt und durchdringt.

Ich will ...
...Tanzen. Im Rhythmus der Nacht, des Zirpen der Grillen -der Gesänge der Nachtigall.
...Singen. Über Bäche springen, lachen, weinen und Singen.
...Lieben. Ich will in einen Menschen hinein kriechen und ihn mit meinem Verstand, meiner Seele, meinem Herzen und meinem Körper lieben.
...Rennen. Fort aus der Dunkelheit. Raus aus der lähmenden Angst zurück in mein Leben. In meinen Körper.

Doch nur in meinen Träumen, gehört er noch mir.
Nur in mancher Nacht vergesse ich, dass ich nicht Fliegen kann.
Oder Rennen. Oder Tanzen. Oder Sprechen.