„Dein Name ist Sven Karstens. Du ahnst noch nichts von dem, was da im Dunkeln auf dich wartet.“

So beginnt die Geschichte des interaktiven Mysterie-Hörbuchs „Die Femeiche“ von Daniel Stenmans und Michael Hübbeker. Als Zuhörer(in) wird man von Beginn an aufgefordert, die Rolle des Hauptcharakters Sven zu übernehmen. Nach fast jedem Kapitel steht eine Entscheidung an – je nachdem, wie man sich entscheidet, muss man auf der CD einen bestimmten Track aufrufen und hört dann dort weiter. Wie schon die kurze Leseprobe am Anfang zeigt, ist das gesamte Buch in der zweiten Person Singular geschrieben – „du“ fährst nach einem Streit mit „deiner“ Freundin planlos in der Gegend herum, „du“ hast eine Autopanne und „du“ wirst von dunklen Mächten gejagt. Normalerweise finde ich so was ja eher nervig, aber in diesem Falle trägt es tatsächlich mal zur Spannung und zur Identifikation mit dem Hauptcharakter bei.

Das Hörbuch wird gelesen von Manfred Lehmann, der deutschen Synchronstimme von Bruce Willis. Dieser macht seine Sache im Allgemeinen gut. Es gelingt ihm, die ständige Anspannung über seine Stimme rüberzubringen, so dass man sich als Zuhörer fühlt, als sei man tatsächlich dabei. Auch die Untermalung mit Hintergrundmusik und Soundeffekten ist sehr gut gelungen und trägt in großem Maße zur Spannung bei. Mein einziger Kritikpunkt zur Vertonung betrifft die Dialoge; vor allem die Stimmen der weiblichen Charaktere klingen bei Lehmann so gekünstelt, dass man sie nicht richtig Ernst nehmen kann.

Die Story erstreckt sich über drei CDs mit einem Gesamtumfang von etwa 200 Minuten. Für einen einzelnen Durchlauf (ohne alternative Entscheidungen) braucht man etwa 2 Stunden. Es beginnt sehr spannend; die gesamte erste CD über wird man als Zuhörer durch eine Reihe von grusel-erzeugenden, übersinnlichen Ereignissen geleitet, die zwar alle keinen übergreifenden Sinn ergeben, aber dennoch gut unterhalten. Irgendwann kommt jedoch selbst die schönste Aneinanderreihung von Grusel-Szenen an den Punkt, wo alles sich ein wenig wiederholt. Die gute Nachricht: Genau an dieser Stelle beginnt mit CD 2 der Hauptteil der Handlung. Die schlechte: Kurz darauf beginnt die Geschichte auch schon langsam zu schwächeln. Ständig werden neue Rätsel aufgegeben, und eingeflochtene Hintergrundinformationen über die Geschichte des Dorfes Erle und seiner (wirklich existierenden) Femeiche täuschen Tiefgang vor, aber zunehmend entsteht der Eindruck, dass die Autoren über einige Dinge nicht gut genug nachgedacht haben und nun nicht wissen, wie sie das Ganze zu Ende bringen sollen. Das eigentliche Ende war dann die Enttäuschung schlechthin – keine der offenen Fragen wurde ordentlich aufgelöst und das billige Ende des Standart-Typs „Es war alles nur ein Traum“ hinterlässt einen faden Nachgeschmack.

Da mich das Hörbuch trotz seiner offensichtlichen Schwächen einige Stunden lang sehr gut unterhalten hat und ich das interaktive Entscheidungen-Treffen ganz spaßig fand, kriegt es von mir eine bedingte Empfehlung und 3,5 auf einer 5-Punkte-Skala.

*Erschienen bei Ueberreuter*

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