Wie sehr halten wir zusammen?
Bertelsmann-Stiftung untersuchte das Miteinander in der deutschen Gesellschaft
Wie schätzt ihr den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ein? Denkt ihr, wir sind ein Völkchen von EinzelkämperInnen, oder leben wir ein solidarisches Miteinander, wo sich die Menschen umeinander kümmern? Die Bertelsmann-Stiftung wollte es genauer wissen und untersuchte die sozialen Beziehungen zu anderen Menschen, die emotionale Verbundenheit mit dem Gemeinwesen und die Orientierung am Gemeinwohl anhand von 31 Indikatoren, wie zum Beispiel Gerechtigkeitsempfinden, Hilfsbereitschaft, Anerkennung sozialer Regeln, Vertrauen in die Mitmenschen oder die Akzeptanz von Unterschiedlichkeiten.
Das Ergebnis der Untersuchung "Radar Gesellschaftlicher Zusammenhalt" macht erstmal Hoffnung: Die Deutschen halten heute besser zusammen als noch zu Beginn der 90er Jahre. Dabei nimmt Hamburg im Gesamtindex eine deutliche Spitzenstellung ein. Auch Baden-Württemberg, Bayern und das Saarland schnitten überdurchschnittlich gut ab. In den ostdeutschen Bundesländern ist der Gemeinsinn heute zwar auch stärker als direkt nach der Wende, allerdings ist der Abstand zu den westlichen Bundesländern 25 Jahre nach dem Mauerfall größer denn je, heißt es in den Studienergebnissen. Den Grund dafür sehen die AutorInnen in der sozialistischen Vergangenheit. Das relativ geringe Vertrauen der Ostdeutschen in ihre Mitmenschen sei typisch für Länder, in denen zuvor eher Kontrolle das gesellschaftliche Klima bestimmt hätte. Hinzu kommt laut den WissenschaftlerInnen die Tatsache, dass die BürgerInnen im Osten unzufrieden mit den Einkommensunterschieden zwischen West und Ost und dem daraus resultierenden eigenen Lebensstandard sind: Dort empfindet nur noch jeder Fünfte seinen Lebensstandard als gerecht.
*Homosexuelle werden mehr akzeptiert*
Ein weiteres großes Themenfeld widmete die Befragung der Akzeptanz von Vielfalt. Erfreulich: In fast allen Bundesländern ist die Toleranz gegenüber Homosexuellen gestiegen. "Selbst in Bayern als dem in diesem Punkt am wenigsten tolerantem westdeutschen Bundesland herrscht relativ hohe Zustimmung zu der Aussage, Schwule und Lesben sollten ihr Leben führen können, wie sie möchten", heißt es im Bericht.
*Deutsche empfinden Zuwanderung als Bedrohung. Tatsächlich fördert sie den Zusammenhalt.*
Nicht so erfreulich ist dagegen, dass Zuwanderern nach wie große Skepsis entgegengebracht wird. Offenbar akzeptieren Deutsche immer seltener, wenn Zuwanderer hierzulande ihren traditionellen Lebensstil pflegen, was früher noch als kulturelle Vielfalt begrüßt wurde. Im Widerspruch dazu steht allerdings das Studienergebnis, dass in den Bundesländern mit den höchsten Ausländeranteilen die Bürger am engsten zusammenhalten. "Offenbar empfinden noch immer viele Deutsche Zuwanderung als Bedrohung. Wir sollten stattdessen Vielfalt als Chance begreifen", sagt Liz Mohn, die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung.
Insgesamt kommt die Studie zu folgendem Schluss: "Je höher das Bruttoinlandsprodukt eines Bundeslandes, je niedriger das Armutsrisiko, je urbaner das Wohnumfeld und je jünger die Bevölkerung, desto höher der Zusammenhalt". Stimmen Wirtschaftskraft und Wohlstand, also haben die Menschen Arbeit und genug zum Leben, ist das förderlich für das innere Gefüge einer Gesellschaft. Das trifft übrigens nicht nur auf Deutschland zu, sondern kam auch bereits im letzten Jahr bei einer internationalen Befragung von mehr als 30 Staaten heraus. Neu bei diesem innerdeutschen Radar ist die Erkenntnis, dass auch ein städtisches Umfeld und eine positive demographische Entwicklung gut sind für den Zusammenhalt einer Gesellschaft.
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