Körperkunst und Verbrechen
...und schmücken unsere Haut mit Schmuck, statt ihn uns um den Hals zu hängen.
Die anderen, die mit den großen komischen Löchern in den Ohren. Die, bei denen doch am Flughafen sicher ein Alarm nach dem anderen los geht, bei dem ganzen Metall. Und die, die mehr Farbe unter der Haut haben, als ein Papagei im Gefieder. Ja – die Anderen. Die Abnormalen. Die sehen nicht so aus wie wir, sicher sind es Verbrecher. Böse Menschen. „Kind, schau die nicht so an.“
Tätowierte - Latente Verbrecher?!
Faszinierend oder abstoßend? Eigentlich eine Frage, die man heute nicht mehr stellen sollte. Die Zeit, in der Tätowierungen nur die Seefahrer und Verbrecher trugen ist lange schon vorbei. Jeder weiß doch, das eine Tätowierung keinen schlechten Menschen macht. Oder? Wie Adolf Loos, der 1908 das Ornament zu einem Verbrechen machte. Er sagte: „Die Tätowierten, die nicht in Haft sind, sind latente Verbrecher oder degenerierte Aristokraten. Wenn ein Tätowierter in Freiheit stirbt, so ist er eben einige Jahre, bevor er einen Mord verübt hat, gestorben.“ Und das war selbst zu seiner Zeit, ganz und gar nicht zeitgemäß.
Wir Tätowierten und Gepiercten sind keine Verbrecher
Warum tun Menschen sich freiwillig diese Schmerzen an, nur für ein Glitzer-Steinchen im Bauchnabel oder ein buntes Bildchen auf dem Rücken? Das sollte man zunächst auch alle fragen, die sich einer Schönheitsoperation unterzogen haben oder mit allen Mitteln verhindern, alt aus zu sehen. Denn im Grunde geht es auch hier nur um die Schönheit. Und das jeder etwas anderes schön findet, ist nun auch schon einige Jahrzehnte bekannt. So stehen die einen eben auf gedehnte Ohrlöcher, auf farbige Haut oder das ganze Metall. Andere eben nicht. Und das sollte jeder respektieren können. Denn Menschen die ihre Kunst auf und am Körper tragen, sind gar nicht anders, als die, die es nicht tun. Sie sind genauso intelligent, genauso freundlich (ja, manchmal sogar freundlicher) und genauso gute Eltern, wie alle anderen. Wir Tätowierten und Gepiercten sind keine Verbrecher, keine (geistig) Kranken, keine schlechten Menschen, wir nutzen nur unsere Freiheit, und schmücken unsere Haut mit Schmuck, statt ihn uns um den Hals zu hängen.
Freiheit, richtig. Die Freiheit mit sich und seinem Körper machen zu können, was man möchte. Kunst ist Freiheit. In jederlei Hinsicht. Und wenn das nicht auch zur Kunst gehört, warum dann so vieles andere?
Adolf Loos sagte auch, die Menschen, die Ornamente schön fänden, statt dem Purem, Reinem, Ornamentlosem, seien die, die „zurück geblieben sind“. Die wenigen, die nicht modern sind. Aber lieber Herr Loos, in unserer Zeit sollten die Menschen anfangen, die überflüssigen Klischees und Schubladen über Bord zu werfen.
Und welcher Nicht-Tätowierte kann schon behaupten, er hätte etwas, das für immer ist?
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Autorin / Autor: badmoonlight - Stand: 21. April 2010