Nachrichten, die die Welt nicht braucht, aber will!

Ladypu fragt, wohin sich das Niveau verflüchtigt hat.

Nichtsahnend setze ich mich gemütlich vor meinem Computer hin, in der einen Hand eine Tasse heiße Schokolade, in der anderen einen Doppelkeks mit Schokofüllung – hm…cremig! Ich möchte eben nur schnell meine E-Mails nachschauen und dann den sonnigen Nachmittag genießen. Solange ist es her, dass die warmen Strahlen der Landschaft Leben einhauchten und das Graue des Winters für zumindest einige Stunden verbannten! Das war mein Plan, wohl bemerkt *war*! Dass es dazu nicht kam, das verdanke ich unserer Gesellschaft. Zugegeben, nicht alles, was die Gesellschaft anfasst, ist schlecht und ich möchte auch nicht die sein, die den moralischen Zeigefinger erhebt, aber eben auch nicht jene, die schweigt, wenn etwas sie empört. Und weil dich keiner hört, wenn du schweigst, dann nutze ich sehr gerne LizzyNet als Sprachrohr.

Nun aber zurück zu meinem Nachmittag. Wie bereits erwähnt, war das ein bis dahin netter Tag. Der PC fährt hoch. Lädt. Solange tunk ich den Keks in die Tasse. Na endlich! Dann verschaff ich mir Zugang ins Internet, wunderbar, alles klappt! Eine kleine Schweinerei bereitet sich auf meinem Schreibtisch aus, ich habe die Tasse umgehauen. Kaum will ich aufstehen, da erblicken meine Äuglein eine tatsächlich noch größere Schweinerei! Und die lässt sich nicht einfach wegwischen, nein, sie muss analysiert und von mir tot geschrieben werden!

*Schlagzeile: „Peinliche Schummel-Panne*
Auf der Startseite von „yahoo.de“, wo ich meine sämtlichen E-Mailadressen errichtet habe, sieht man immer gleich Schlagzeilen, die keinen bewegen, aber die die Welt sich gerne durchliest. Und heute, ein Tag später als ich vom Militärputsch in Niger erfahren habe, sehe ich tatsächlich die Schlagzeile „Peinliche Schummel-Panne“. In diesem mickrigen Artikel geht es darum, dass sich ein Schüler irgendwo in Dänemark seine Hausaufgaben aus dem Internet geholt hat.

*Nichtigkeiten, die die Welt nicht braucht*
Dabei hat er einen Fehler gemacht. Weltbewegend, geht mir da durch den Kopf. Aber das Beste an der Geschichte ist, dass yahoo.de nicht einmal live vor Ort war! Nein, sie haben einfach die Meldung von irgendeiner Zeitung, die wohl nichts Besseres zu berichten hatte, übernommen! Nun, mag die Eine oder Andere denken, yahoo.de ist nicht bekannt für seine überragenden Nachrichten, das ist wahr, dem kann ich zustimmen. Was ich mich viel eher frage ist, warum? Warum glauben einige Journalisten so etwas reinschreiben zu müssen? Jahrelang studiert, Kontakte gepflegt, Prüfungen durchgestanden, um nur bei yahoo.de so etwas schreiben zu können? Eine Nichtigkeit, die die Welt nicht interessiert? Wo ist der informative Journalismus? Wohin hat sich das Niveau verflüchtigt?
Woher kommt die Nachfrage?
Auch wenn ich keine Musterschülerin bin, so habe ich doch Einiges in der Schule mitbekommen. Nachrichten sind auch ein Markt, gekauft werden eben jene, die nachgefragt werden. Die Nachfrage kommt vom Konsumenten, hier dem Leser und yahoo.de – Nutzer. Nachfrage und Angebot, der Preis spielt hier keine Rolle, da ja yahoo.de kostenfrei genutzt wird, sind die Basis einer Marktwirtschaft. Aber da stellt sich einem die Frage, woher kommt diese Nachfrage? Warum interessieren sich Menschen dafür, was einem Schüler in Dänemark passiert, statt die Augen auf Niger zu richten? Wo bleibt das Verantwortungsbewusstsein für das Erbe des Imperialismus im 19. und 20. Jahrhunderts? Europa, richte deine Augen auf die Folgen deines Handeln!

*Es gibt wichtigere Themen*
Beginnen wir damit, dass vor einigen Jahren Spanien in Marokko ein kleines Territorium unterhält. In diesem kleinen Grundstück auf afrikanischem Boden befindet sich Europa; für viele Afrikaner ein Zufluchtsort vor Armut, Krankheit, Krieg. Viele Afrikaner, nicht nur Marokkaner, beantragen Asyl in Europa. Man kennt ja die Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer zu genüge und wie viele bereits verunglückt sind, ist eine Dunkelziffer, die man nicht einmal erahnen kann. Deshalb versucht man es auf legalem Weg, ein Asylantrag.
Das ist sicherer. Das ist vernünftiger. Das ist gut.

Das ist nicht gut, denkt sich die europäische Union und investiert Millionen für einen Stacheldrahtzaun um das kleine spanische Territorium, damit Afrikas Flüchtlinge keine Möglichkeit haben, es auch nur zu versuchen zu fliehen! Ich sage nicht, dass wir sofort aufstehen müssen. Ich sage nicht, dass wir sofort etwas unternehmen müssen. Ich frage nur: Und dann kommt da ein Artikel über einen Schuljungen?

Wenn wir nicht endlich unser Bewusstsein für die wirklichen Dinge in der globalisierten Welt schärfen und nur ansatzweise an Verbesserungsvorschläge denken oder gar uns nur informieren, wie können wir dann noch in Ruhe unsere heiße Schokolade genießen und friedlich den Keks hinein tunken? Ein Rechtsstaat soll das sein? Aber für wen? Wer nicht die Rechte anderer verteidigt, der hat gute Chance selbst rechtlos zu werden.

Der erste Schritt ist, dass wir nach Nachrichten verlangen, die uns bilden und informieren, über einen Kontinent, der von uns eine Staatsstruktur rein gewürgt bekam, obwohl er aus Naturvölkern bestand.

So verlief als mein Nachmittag dann. Die Sonne ist schon untergegangen und ich habe dann doch die heiße Schokolade und den Keks ganz aufgezehrt. Man muss wissen, wann man abschalten kann ;-)

Autorin / Autor: ladypu - Stand: 24. Februar 2010