Zweifelsohne hat die digitale Welt viele Vorteile gebracht, z. B. uns Möglichkeiten eröffnet, über geografische Grenzen und Weiten hinweg schnell und quasi zeitgleich miteinander zu kommunizieren, Menschen wieder zu vereinigen, die sich aus den Augen verloren haben oder Beziehungen nicht absterben zu lassen, oder gar neue – echte – Freundschaften zu schließen, eventuell sogar seinen Lebenspartner zu finden. Wir sind überall erreichbar – was nicht immer angenehm ist –, selbst in vermeintlich unerreichbaren Regionen der Welt, können uns zeitnah zu Themen und aktuellen Ereignissen äußern, die sich fernab von uns begeben haben und können uns ein Leben ohne unsere digitalen Wegbegleiter gar nicht mehr vorstellen.
Doch die digitale Welt hat unser Leben damit auch beschleunigt, uns unter inneren und äußeren Leistungsdruck und damit unter Psychostress gesetzt. Damit wiederum Nachteile und Risiken geschaffen, was das soziale Miteinander angeht. Im Zeitalter der digitalen Medien herrscht Reizüberflutung, welche die Sinne abstumpfen lässt gegenüber Not, Leid und Elend anderer, herrscht das Gesetz der Schnelllebigkeit – auch im persönlichen Umgang miteinander. Das zeigt sich in der Kürzel-Manie von Facebook-Usern genauso wie in den telegrammstilartigen Kommentaren oder den täglich neuen Katastrophen-Meldungen aus aller Welt. Oberflächlichkeit und Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben und Schicksal seiner Mitmenschen und (Facebook-) „Freunde“ bestimmen unsere Welt-und Werte-Gesellschaft. So nimmt der Anteil jüngerer Generationen an ehrenamtlichen Tätigkeiten in Europa immer mehr ab. Laut einer Studie „Study on Volunteering in the European Union Executive summary DE“ (unter http://ec.europa.eu/citizenship/pdf/executive_summary_volunteering_de.pdf nachzulesen) üben lediglich ca. 23 % der Europäer über 15 Jahre eine ehrenamtliche Tätigkeit aus. In Deutschland sind es immerhin zwischen 30 und 39 %.
Das digitale Netz ist eine kalte Welt, in der zwischenmenschliche Nähe und Wärme mittels eines Gesprächs auch mit noch so vielen Smileys u. a. Verbildlichungen nicht wirklich geschaffen werden können. – Kein echter Kuss, keine Umarmung oder ein Streicheln eines anderen Menschen können durch sie ersetzt werden. Oder wie es eine Freundin mal treffend sagte: „Das ist doch nicht dasselbe!“
Überhaupt das Wort „Freund“, das in der digitalen Welt überstrapaziert wird. Ein Facebook-„Freund“ von mir hat über 750 (!) so genannte Freunde. Doch würde man ihn fragen, wie viele er davon zu seiner Hochzeit einladen würde: Wie viele blieben übrig? Und umgekehrt, wenn er seine „Freunde“ fragen würde, ob sie ihm aus einer Klemme finanziell oder durch Taten helfen würden – wieviele davon würden sich bereit erklären, ihm tatsächlich zu helfen, wie viele fadenscheinige „Argumente“ vorbringen, es nicht zu tun? Einen Button anklicken fällt leicht angesichts der relativen Anonymität und geografischen Distanz, innerhalb derer sich die meisten Netz-User bewegen.
Bildlich gesprochen: Wir sehen unser Gegenüber im Netz in groben Pixeln, doch die Feinheiten seines Wesens und seine Seele können sich uns nur im direkten persönlichen Kontakt, d. h. im Umgang miteinander im Rahmen des Alltags und wirklichen Lebens erschließen.
Allerdings hilft uns das Internet auch, andere besser zu begreifen und leichter Verständnis für ihre Lebens- und Handlungsweisen aufzubringen. Das fördert Toleranz für Andersdenkende – sofern man nicht gerade ein fanatischer Fundi ist – und bietet damit eine Basis für nähere, bessere Zusammenarbeit und ein friedvolleres Miteinander, sowohl (wirtschafts-) politisch als auch religiös. Auch ist es ein Portal zur Vervielfältigung von Allgemein- und Fachwissen. Durch die Zugriffsmöglichkeiten, die es eröffnet, bietet es Wissenschaftlern aus aller Welt die Möglichkeit, sich so schnell und intensiv wie nie zuvor auszutauschen, geistig zu befruchten und die Forschung voran zu treiben – zum Wohle der Menschheit. Spezielle Plattformen, in die verpflichtend neueste Forschungsergebnisse – je nach wissenschaftlicher Fachrichtung – gestellt werden würden, trügen dazu vehement bei.
Nichtsdestotrotz bringt die digitale Welt auch Gefahren: Netzwerke von Kinderschändern, Datenklau, steuerrechtlich illegale Transaktionen, Ausweitung von Terrorzellen und –Netzwerken u. v. m. – Hier wäre eine noch engere Zusammenarbeit der int. zuständigen Behörden und Nachrichtendienste, aber auch frühzeitige Aufklärung im Bildungswesen wünschenswert und wichtig, um das Netz transparenter und gleichzeitig sicherer vor verbrecherischen Aktivitäten zu machen und damit präventiv vor Missbrauch jeglicher Art zu schützen.
Wünschenswert wäre auch, wenn sich Regierungen nicht zu schade dafür wären, offen positive Herangehensweisen und Lösungen politischer, ökologischer und wirtschaftlicher Probleme von anderen Ländern auf das eigene Land zu übertragen, wie z. B. die der Studiengebühren-Frage in Australien oder das Ins-Netz-Stellen der Haushaltskassen öffentlicher Ämter. Hierzu bietet das Internet eine hervorragende Plattform, in der man schnell Praktiken und ihre Effektivität diverser Länder miteinander vergleichen kann. Kaum ein Land wird es einem anderen übel nehmen, wenn man seine positiven Errungenschaften „abkupfert“ – eher schmeichelt und bestätigt es dieses in seinen Leistungen. Umgekehrt ist es keine Schande, wenn man Bestehendes für sich annimmt, denn das Rad muss nicht neu erfunden werden… Vor diesem Hintergrund bliebe auch so manche, unnötig und kostenintensiv geführte langatmige kontroverse Debatte über innerpolitische Fragen so manchem Land erspart. – Über den eigenen Tellerrand schauen, heißt heute einfach ins Internet gehen und dieses sinnvoll und dem gemeinnützigem Gedanken verpflichtet zu nutzen, auch und vor allem für Politik und Wissenschaft.