Mein neues Smartphone
Beitrag zum Schreibwettbewerb "Total digital" von Patricia, 42 Jahre
Das Päckchen kommt am Samstagnachmittag. Mein neues Smartphone. Endlich bin ich von der Steinzeit in die Gegenwart aufgerückt. Alle meine Kollegen haben schon lange eines, nur ich war ewig von gestern. Aber jetzt. Glückselig packe ich das Smartphone aus. Die erste Irritation ist die Kurzanleitung, die nur auf Italienisch geliefert wird. Ich kann kein Italienisch, aber zum Glück spricht die Zeichnung für sich, und es gelingt mir mit wenigen Handgriffen, die Rückseite des Gehäuses zu öffnen.
Die SIM-Karte aus meinem alten Handy zu entfernen, gestaltet sich da schon schwieriger. Ich muss mit einem Schraubenzieher und meiner ganzen Entschlossenheit bis hin zur billigenden Inkaufnahme der Zerstörung des Gerätes zu Werke gehen, bis sich das Gehäuse endlich abheben lässt. Triumphierend ziehe ich die Karte heraus, um sie in mein neues Smartphone einzusetzen. Doch meine Siegerstimmung verfliegt umgehend: die SIM-Karte passt nicht in die Halterung. Bin ich einfach zu blöd oder sind die Karten der aktuellen Generation geschrumpft?
Wozu gibt es Facebook? Ich poste meine Anfrage und erhalte kurz darauf Antworten von einer Kollegin und meiner Nachbarin. Ja, die Karten sind kleiner geworden. Ich könne mir über Google entweder eine Anleitung suchen, um die SIM-Karte selbst zurechtzuschneiden, oder in einen Handyladen gehen und mir die Karte stanzen lassen. Ich entscheide mich fürs Delegieren, auch wenn ich jetzt noch bis Montag warten muss. Montagvormittag gehe ich in den nächstgelegenen Handyladen und lasse meine Karte für 5 Euro stanzen. Der freundliche Mitarbeiter setzt sie auch gleich in das Gehäuse ein. So, noch den Akku eingelegt und dann kann es endlich losgehen.
Der Touchscreen bedient sich herrlich leicht und die meisten Funktionen finde ich ohne Anleitung. Ich installiere Twitter, Facebook, WhatsApp und all die anderen unverzichtbaren Zeitkiller des 21. Jahrhunderts. Wie sagte doch jüngst ein englischsprachiger Autor? Früher hatten die Schriftsteller Absinth und Opium, heute Facebook. Wie tief wir gefallen sind. Recht hat der Mann. Doch wir werden auch dieses Übel überstehen und weiterhin unsere Geschichten schreiben. Jetzt downloade ich aber erst mal ein paar Spiele, falls ich mal irgendwo warten muss und nicht weiß, wie ich sonst die Zeit totschlagen soll. Ich könnte natürlich auch ein Buch lesen …
Super, alles ist eingerichtet. Zum Schluss noch einen Klingelton auswählen. Ich entscheide mich für eine perlende Melodie für eingehende Gespräche und einen dezenten asiatischen Tempelgong für eingehende Benachrichtigungen. Fertig. Mit diesen Dingern kann man ja wirklich alles machen. Auch telefonieren? Ein sanftes Säuseln schmeichelt meinen Ohren, unterlegt mit nicht ganz so sanften Vibrationen. Jemand ruft mich an! Meine Freundin, mit der ich mich für den Abend verabredet habe. Ich drücke auf das grüne Hörersymbol, aber nichts tut sich. Hektisch drücke ich noch ein paar Mal, länger diesmal. Nichts. Meine Freundin gibt irgendwann auf. Ich rufe sie zurück. Wenigstens das klappt problemlos. Aber wie kann ich einen Anruf entgegennehmen? Wieder weiß meine Kollegin Rat. Wischen heißt die Zaubergeste. Ach, das sollten die Pfeile bedeuten! Muss einem Saurier doch erklärt werden.
Jetzt möchte ich noch nachschauen, wie am Abend das Wetter wird, doch leider ist mittlerweile der Akku leer – und das Ladekabel liegt natürlich zu Hause. Ich fühle mich schlecht. Wie bin ich vorher eigentlich klargekommen? Ich besitze ein Smartphone, also bin ich. Und ohne?