Meine Internet-Geschichte begann im Jahr 1997. Zu dieser Zeit übernahm ich die Leitung eines Bildungsträgers, der Computerausbildungen für Frauen anbot – Word, Excel, PowerPoint, das Übliche eben. Dann kam das Internet. Wir starteten unsere ersten Internetkurse mit analogen Modems und der atemberaubenden Geschwindigkeit von 56 kBits/s.
Die Kurse waren gut besucht, unsere Frauen neugierig und auch etwas skeptisch. Jede hatte schon etwas von diesem neuen Medium gehört, nur was man damit anfangen konnte, war ihnen so gar nicht klar. Ist es nur eine Spielerei für Nerds? Was ist der praktische Sinn? Wobei kann mir das Internet helfen und meine Arbeit vereinfachen? Das waren die Fragen, die immer wieder gestellt wurden.
So ging es auch mir, als ich meine ersten Versuche im WWW startete. Ein für heutige Verhältnisse langsamer Rechner, ein Netscape Browser und eine kleine laute Box zwischen Telefonanschluss und Rechner – das Modem waren meine technische Ausrüstung. Die Nutzung war teuer, mein Provider AOL verlange pro Minute einen Preis von 6 Pfennig plus einer monatlichen Grundgebühr. Da verfiel ich schon manchmal in Panik, wenn ich zu Hause anrief und der Anschluss stundenlang besetzt war und ich wusste, dass meine Tochter wieder einmal vergessen hatte, die Verbindung zu trennen ... .
Heute ist das Internet aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken. Mit meinen Kolleginnen arbeite ich in der Cloud, telefoniere mit Freunden in der ganzen Welt über Skype, bin mit ihnen über Facebook verbunden, höre weltweit Radio und nehme an Onlinekursen teil.
Meine erste Webseite habe ich Ende der 90er Jahre in HTML programmiert, im Quelltext. Später folgten wysiwyg-Editoren und CSS. Seit Jahren arbeite ich mit dem Dreamweaver.
Ich kann mich an die Zeiten erinnern, wo jede neue technische Spielerei einprogrammiert wurde, blinkende Schrift, sich bewegende Graphiken, Pop-up-Fenster. Jeder Programmierer wollte zeigen, dass er alle Möglichkeiten kannte und verwenden konnte. Einige Jahre später war diese Zeit vorbei. Es begannen sich Webseiten durchzusetzen, die klar strukturiert und übersichtlich waren und auf denen es schnell gelang, die gewünschten Informationen zu finden.
Heute sprechen wir von Barrierefreiheit. Wir programmieren Webseiten, die es Menschen mit Behinderung (bspw. mangelnde Sehstärke oder Farbblindheit) möglich machen, am Internet teilzuhaben. Wir formulieren die Texte in einfacher Sprache um Menschen, die über eine geringe Kompetenz in der deutschen Sprache verfügen, das Verstehen der Inhalte zu erleichtern. Künftig ist vorgesehen, dass öffentliche Webseiten Videos in Gebärdensprache erhalten.
Internet ist keine Frage des Alters. Ich arbeite häufig mit Seniorinnen und begleite sie auf ihren ersten Schritten ins Internet. Unsere älteste Teilnehmerin begann ihren digitalen Weg mit 88 – jetzt ist sie 100 und immer noch mit dabei. Die Frauen sind begeistert von den Möglichkeiten mit Familie und Freunden über Skype zu kommunizieren, sich die Bahnverbindung für ihre nächste Reise zu suchen oder gar den nächsten Urlaub über das Internet zu buchen.
Sie sitzen mit leuchtenden Augen vor dem Rechner, wenn sie ihren Namen in die Suchmaschine eingeben und sich im Internet wiederfinden oder feststellen, dass es andere Personen gibt, die
genauso so heißen, wie sie selbst. Sie sind begeistert davon, ihre Medikamente im Internet zu bestellen und jede Menge Geld zu sparen.
Das alles erinnert mich an meine Begeisterung, als die Antwort auf die erste versendete Mail kam oder die erste selbstgebastelte Webseite online ging.
Ebenso erinnere ich mich an 9/11 als das Internet für eine kurze Zeit zusammenbrach. Einige Stunden waren keine Webseiten von Fernsehsendern, Rundfunkanstalten, Zeitungen und Magazinen zu erreichen. Weil die Server dem Andrang der User nach Informationen nicht gewachsen waren. Wir alle wollten damals sofort und aus erster Hand wissen, was dort in Amerika geschehen war.
Ich erinnere mich daran, als ich im Jahre 2005 Lumbini – den Geburtsort Buddhas, besuchte. Auch in Nepal hatte die moderne Technik Einzug gehalten. Es gab ein Internetcafé! Es gab die Möglichkeit, von dort Mails nach Hause zu verschicken und den Daheimgebliebenen von den überwältigenden Eindrücken zu berichten. In 45 Minuten gelang es mir genau eine Mail zu verschicken, ohne Anhänge – so langsam war die Verbindung. Trotzdem – auch in dieser entlegenen Ecke der Welt klopfte der Fortschritt an die Tür.
Die Zeiten haben sich geändert. Unsere Frauen lernen jetzt, collaborativ in der Cloud zu arbeiten. Prezi, Google+, Doodle, Dropbox oder Googledocs sind für sie keine Fremdworte mehr. Es eröffnen sich neue Möglichkeiten, unabhängig von Zeit und Raum mit anderen Personen Projekte zu erarbeiten, Absprachen zu treffen, sich zu organisieren. Vor einigen Jahren hätte ich mir so ein Arbeiten noch nicht vorstellen können. Ich bin gespannt und neugierig, in welche Richtung sich das Internet entwickeln wird, über welche Möglichkeiten der Kommunikation und Informationsgewinnung wir in ein paar Jahren verfügen werden.
Die Entwicklungen der letzten 20 Jahre betrachtend würde ich sagen – alles ist möglich und ich freue mich schon jetzt darauf, mit dabei zu sein!