„Ich will nicht in die Schule zu den ganzen Kleinkindern!“, brummte die 13 jährige Laura missmutig. Sie wollte lieber auf der Playstation zocken, im Internet chatten und Videos in Youtube anschauen.
Langsam schlenderte sie in das Klassenzimmer. Sie setzte sich auf ihren Platz und schaute ein Minecraftvideo an. Als der Gong ertönte, kam die Lehrerin herein: „Laura, nimm bitte dein Handy weg!“ Seufzend ließ das Mädchen das Gerät in die Hosentasche gleiten.
Plötzlich flog ein kleiner Zettel auf Lauras Schulbank. Das Mädchen faltete neugierig das Papier auf und las die schnörkelige Schrift: Hast du heute Zeit?
Laura schaute sich nach dem Absender um, es war Lisa. „Natürlich habe ich keine Zeit, ich habe etwas Besseres zu tun, als dir zu erklären, wie der Playstationcontroller funktioniert“, dachte sich Laura. Sie schrieb: Nein.
Laura warf den Zettel zu Lisa zurück und begann sich auszumalen, welches Gebäude sie daheim später in Minecraft bauen wollte. Vielleicht ein Restaurant, oder ein Hotel.
„Ja, genau, ein Hotel sollte es werden! Ich werde es aus Eisen bauen und fünf Stockwerke machen. Das schaffe ich locker an einem Nachmittag! Oder soll ich doch lieber im Überlebensmodus weiter nach Diamanten suchen? Gestern hat mich ja ein Creeper getötet!“, dachte Laura geistesabwesend.
Bald klingelte es zur Pause und alle Kinder stürmten nach draußen. Laura war mittendrin im Schubsen, Drängeln und Stoßen. Endlich hatte sie freie Bahn und lief zu ihrer Ecke, in der sie sich immer versteckte und das Handy einschaltete.
Natürlich waren alle elektronischen Geräte in der Schule verboten, aber das war Laura egal. Jede Minute ohne ihr Handy war eine Verschwendung. Sie ließ damit sogar das Wasser in die Badewanne ein, damit sie nach der Schule sofort baden konnte.
Eine Gruppe von Mädchen stand plötzlich vor ihr. Erstaunt hob sie den Blick und fragte ungeduldig: „ Was wollt ihr von mir?“
„Hast du heute Zeit?“, antwortete ein Mädchen.
„Nein“, brummt Laura.
Da trat Lisa vor: „Wir wissen genau, dass du nichts vor hast! Immer sagst du nein. Darfst du dich nicht verabreden?“
Laura zischte:“ Ich will mit euch allen nichts zu tun haben! Wann kapiert ihr das endlich?“
„Früher warst du so nett. Du hast mit jedem gespielt und es hat allen Spaß gemacht. Wir waren Freunde. Aber dann hast du dich immer weiter entfernt. Wir lassen uns von dir nicht mehr dumm anreden!“, sprach Lisa.
Darauf drehte sie sich um und rauschte davon. Laura sah ihr nachdenklich hinterher. Dann senkte sie den Kopf und checkte ihre E-mails. Der Gong ertönte. Die Stunde begann und ein paar weitere folgten. Endlich war der lange Schultag zu Ende.
Zu Hause stellte Laura ihre Hausaufgaben ins Netz. Danach schaltete sie die Playstation ein und versank in ihrem Spiel.
Draußen dämmerte es. Die blutrote Sonne neigte sich zum Ende des Horizonts.
Laura fuhr die Spielkonsole herunter und schaute im Internet nach, ob andere ihre Hausaufgaben bearbeitet hatten. Super, da waren die Lösungen. Laura schrieb diese in ihre Hefte ab und baute ein paar Fehler ein, damit es nicht auffiel.
Am nächsten Morgen radelte Laura mit ihrem Mountainbike zur Schule. Die gleißende Sonne brannte unablässig auf das Straßenpflaster. Das Display von Lauras Handy glühte regelrecht.
Schnell schaltete das Mädchen mit einer App die Klimaanlage in ihrem Zimmer ein und wollte die Rollläden herunterlassen, doch es funktionierte irgendwie nicht.
„Was ist denn jetzt hier los?“, fluchte Laura leise. Minuten später betrat sie immer noch schimpfend das Klassenzimmer, aber zum erstenmal seit Monaten sah sie in die Gesichter ihrer Mitschüler.
Moritz hatte viele Pickel bekommen und Luisa einen neuen Haarschnitt.
Doch keiner beachtete sie. „Hallo“, sagte Laura leise. Niemand antwortete. Im Unterricht meldete sich Laura sogar, aber wenn sie etwas Falsches sagte, lachte die ganze Klasse.
Beim Hinausgehen auf den Pausenhof rempelte sie ein Junge aus ihrer Klasse so hart an, dass sie beinahe auf ihr geliebtes Smartphone gefallen wäre.
„Idiot!“, murmelte Laura und zog sich in ihre Ecke zurück.
Später auf dem Gang, stellte Luna, ein Mädchen, das früher einmal eine ihrer besten Freundinnen gewesen war, ihr den Fuß und Laura flog in hohem Bogen auf den harten Fußboden.
„Hättest wohl besser aufpassen sollen“, grinste Luna höhnisch.
Nachmittags schaltete Laura ihren Laptop an und sah in Facebook hinein. Dort fand sie etwas, was sie zutiefst erschütterte: „Laura Schuh ist das größte Axxxxxxx der Welt!!
Lauras Blick wanderte zu den Kommentaren. Alle fanden es gut! Über 300 Likes hatte diese Seite in der letzten Stunde bekommen. Das musste ihre halbe Schule für gut befunden haben!
Sie brach in Tränen aus. Laura weinte Rotz und Wasser und wäre am liebsten auf einem ganz anderen Planeten. Am besten noch in einem anderen Sonnensystem.
Zum ersten Mal merkte sie, dass das Internet auch eine schlechte Seite haben konnte. Vor einem Jahr hatte sie viele Bewunderer und Freunde gefunden mit allen digitalen Dingen, die sie besaß, wie Laptop, Smartphone, Tablet und Playstation. In kürzester Zeit war sie damals zum beliebtesten Mädchen der Klasse geworden.
Sie hatte im Internet gechattet und lustige Videos geteilt. Aber hatte sie mit ihren Freundinnen nicht auch Fußball, Fangen und Monopoly gespielt und dabei eine Menge Spaß gehabt? Laura sehnte sich danach zurück. Sie empfand wieder die Lust, mit dem Ball am Fuß über den Platz zu laufen, um schließlich das Leder ins Tor zu donnern.
Plötzlich verstand sie gar nicht mehr, warum sie in den letzten 3 Monaten nur noch drinnen gehockt hatte. Sie war ja nur noch alleine gewesen. Hoffentlich würden die anderen ihr verzeihen!
Laura wählte die Handynummer von Luna, obwohl ihr ganz flau im Magen war. Ihre Hand schwebte über den Tasten. Sie atmetet tief durch: „Laura, du schaffst das.“ Kurze Zeit später hörte Laura eine Stimme. „Luna Schuster hier.“
„Hi, hier ist Laura“, flüsterte Laura nervös in ihr Handy. „Was willst denn du von mir? Ich habe nichts mit dir zu bereden!“, antwortete Luna.
„Luna, bitte nicht auflegen! Bitte, du musst mir zuhören“ ,flehte Laura. „Also gut. Aber mach schnell, denn ich verschwende hier meine kostbare Zeit!“, brummte Luna.
Da fing Laura zu erzählen an, was in ihr vorging. Die Worte sprudelten geradezu aus ihrem Mund und sie plapperte wie ein Wasserfall: „Und jetzt wollte ich dich fragen, ob du zu mir kommen möchtest und ob wir uns wieder vertragen können.“, beendete Laura ihren Redeschwall.
Eine Weile war es still in der Leitung. Lauras Magen zog sich schmerzhaft zusammen und ihre schweißnassen Hände zuckten. „Also gut. Bis gleich“, sprach Luna.
Laura atmete tief durch. Der erste Schritt war getan.
Eine Viertelstunde später klingelte es an der Haustür. Wie von der Tarantel gestochen lief Laura zur Tür und öffnete. Überrascht klappte ihr Mund auf, als sie acht Mädchen aus ihrer Klasse vor der Tür sah.
„Spielen wir Fußball?“, wollte Luna wissen. „Okay! Ich hole den Ball“, antwortete Laura.
Ausgelassen tobten sie den ganzen Tag, bis jedem die Luft ausgegangen war. Verschwitzt, aber fröhlich kehrte Laura zurück in ihr Zuhause. Dort jedoch erwarteten sie ihre aufgebrachten Eltern.
Beide waren stinkwütend und ihr Vater schrie gleich: „Was denkst du dir eigentlich! Die Rollläden spielen verrückt und das Licht geht die ganze Zeit an und aus!“
Da erst erinnerte sich Laura daran, dass heute früh ihr Handy nicht funktioniert hatte: „Oh, da habe ich mir wohl einen Virus eingefangen“.
Früher wäre sie ausgerastet, doch jetzt konnte sie herzhaft darüber lachen.