Was macht dich zu etwas Besonderem?
Zum Zauber einer gelungenen literarischen Figur...
Wenn ich mir Emma, die Protagonistin aus Jane Austens gleichnamigen Roman anschaue, so meine ich, dass die gebildete junge Frau durchaus liebenswürdig ist. Denn hauptsächlich aus Herzensgüte bemüht sie sich, einsame Freunde mit jemandem zu verkuppeln, um sie glücklich zu sehen. Trotz ihres freundlichen Gemüts und ihrer Höflichkeit wirkt sie manchmal überheblich. Aber im Laufe der Geschichte sieht sie ihre Fehler ein und ändert sich. Elisabeth Bennet aus J. Austens Klassiker Stolz und Vorurteil ist keine „typische“ junge Dame des 19.Jahrhunderts, weil sie mal mehr, mal weniger direkt ihre Meinung sagt, auch wenn sie der betreffenden Person nicht gefallen mag. Sie lehnt sich gegen die Konventionen der englischen Gesellschaft auf, denn sie weigert sich strikt, sich von ihrer Mutter verheiraten zu lassen, obwohl ihre Heirat mit einem angesehenen Herrn in erster Linie materielle Absicherung und gesellschaftlichen Aufstieg für die Familie bedeuten könnte. Nach vielen Missverständnissen und nach der Überwindung von Vorurteilen kommen Elisabeth und Mr. Darcy schließlich in der Filmversion zusammen.
In unseren Gedanken ist unser Protagonist auf seine Art und Weise einfach einzigartig. Einzigartig, weil er sich von Anderen durch seine Eigenheiten abhebt. Er lebt beispielsweise für sich, ist ungesprächig, vielleicht auch manch Einem gegenüber extrem übellaunig. Wie überzeugt man einen Leser davon, dass der Charakter trotz seiner Ecken und Kanten bis zu einem gewissen Grad sogar sympathisch ist? Indem man zum Beispiel zeigt, warum dieser Mensch zu dem geworden ist, der er ist: weil ein Trauma ihn in seiner Kindheit oder Jugend verändert hat. Trotz seiner rauen Art gewinnt dieser Protagonist den Leser vielleicht für sich, weil er beispielsweise Ärmere unterstützt. Möglicherweise unter anderem auch, weil er den Leser durch seinen zynischen Humor gelegentlich zu unterhalten weiß.
Der Zauber einer gelungenen literarischen Figur besteht meiner Meinung nach zum einen darin, dass sie all diejenigen besonderen Eigenschaften vereint, die wir selbst besitzen. Wenn wir uns in einer Figur wieder erkennen, wenn wir uns mit dieser Figur identifizieren können, dann finden wir sie sympathisch. Zum anderen wecken auch Charaktere unser Interesse, welche Merkmale besitzen, die wir bewundern und vielleicht selber gerne hätten. Oder wir wollen erfahren, was diese oder jene literarische Figur, die das genaue (vielleicht sogar negative) Gegenteil von uns Lesern ist, denkt, wie sie fühlt, wie sie handelt. Ist unsere Neugier erst mal geweckt, wollen wir wissen, wie es mit ihr weitergeht.
Die Autoren greifen auf unterschiedliche Tricks zurück, um den Leser für ihren Roman, für ihren Protagonisten zu gewinnen. Manche Autoren legen Wert darauf, den Protagonisten leiden zu lassen, um so das Mitleid des Lesers zu wecken. Andere hingegen versuchen, den Charakter so darzustellen, dass er bewundert wird. Allen gemeinsam ist, dass ihre Charaktere auf jeden Fall intelligent rüber kommen, weil sie wissen, dass Niemand die Geschichte eines durch und durch schwachköpfigen Protagonisten lesen will. (Wenn er jedoch immer wieder ins Fettnäpfchen tritt, macht es nichts, solange er etwas „richtig“ macht.)
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Autorin / Autor: Dasha Carelly - Stand: 18. Mai 2009