Von der Idee zum Roman
Lange, bevor ich die Überschrift und den ersten Satz meiner Story getippt habe, hatte ich meine Charaktere bereits ausgearbeitet und die Handlung geplant. Genauer gesagt, hatte ich bereits gewusst, worum es in meiner Geschichte gehen wird, und welche Figuren die Handlung im Wesentlichen bestimmen werden. Denn - wie bereits erwähnt - hatte ich schon mal über die Abenteuer meiner Protagonistin Lina und ihrer Freunde vor Jahren geschrieben.
Diese Story, die sich über knapp 300 Seiten erstreckte, wurde niemals veröffentlicht, was ich im Nachhinein gut finde. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich mich geschämt, den ersten Roman der Öffentlichkeit zu zeigen. In erster Linie, weil die Protagonistin des Romans eigentlich eine 1-zu-1-Kopie von mir gewesen ist, analysiert man ihren Charakter, ihre Denkweise, ihre Empfindungen, Vorlieben und Abneigungen. Dadurch, dass ich in der Ich-Perspektive geschrieben hatte, hatte ich sehr viele persönliche Einstellungen, Meinungen und Ereignisse aus meinem Leben in die Fantasy-Story eingebaut. - Ich hatte einfach nicht gesehen, wie viel Persönliches ich von mir als Hobby-Autorin eigentlich preisgab; des Öfteren also Dinge, die nur ins Tagebuch gehören. Sicherlich gibt es Autoren, die die Ich-Perspektive benutzen und dennoch durch ihre Protagonisten nicht viel über sich erzählen. Mir allerdings war es eben nicht gelungen. Doch damals hatte es mir nichts ausgemacht.
Vor dem eigentlichen Schreiben des Romans im Jahre 2008 habe ich den Plot umgestaltet, mir neue Szenen überlegt, viele Figuren weggelassen, und beschlossen, den Roman aus der Sicht zweier Protagonisten zu schreiben; nämlich aus der Sicht von Lina und der von Rick. In diesem Romanprojekt fiel es mir leichter, mich von den Protagonisten zu distanzieren. Allerdings will ich nicht leugnen, dass meine Meinung, meine Wertvorstellungen, etc. auf die Hauptcharaktere Rick und Lina weitgehend abgefärbt haben. Selbstverständlich kann ein Schriftsteller einen Charakter erschaffen, der sich in seinen Vorlieben, Wünschen und Neigungen grundlegend vom Autor unterscheidet. Man denke beispielsweise an Patrick Süskind und den Anti-Helden J.-B. Grenouille aus dem Roman "Das Parfum". Dem intelligenten Schriftsteller ist es wunderbar gelungen, sich in einen Mörder zu versetzen, der nach dem perfekten Duft sucht.
Während ich an meinem Roman arbeitete, stattete ich meine Protagonisten dennoch mit bestimmten Charaktereigentschaften, Einstellungen, etc. aus, in denen ich mich selbst wieder erkenne (und auch meine Berater männlichen Geschlechts, die mir gesagt haben, ob sie in jener Situation an Ricks Stelle so oder anders agieren und reagieren würden). Mir erschien die Alternative, meine Vorstellungen und bestimmte Attribute (aber auch mein Pflichtbewusstsein, Gerechtigkeitssinn, ...) völlig raus zu halten, als unnötig und praktisch kaum möglich, weil ich bei dem Versuch, mich in die Figuren hineinzuversetzen, Einfluss auf die Gedanken, auf die Ziele meiner Protagonisten genommen habe.
*Die Protagonisten entwickeln sich*
Es gibt keine einzige Seite, die ich aus dem ersten Original wörtlich oder ähnlich übernommen habe. Wohl aber eine bestimmte Szene, die sich in meiner Vergangenheit genauso ereignet hat, und an die ich immer wieder gerne zurück denke. Da ich das zweite, selbstständige Original völlig umstrukturiert, die Charaktere ein wenig verändert oder gar neu erschaffen habe, erzählt meine Arbeit im Vergleich zum ersten Roman vor 6 Jahren eine neue Geschichte meiner Protagonisten Rick und Lina mit neuen Wendungen, neuen Handlungsverflechtungen und daraus resultierenden Konsequenzen. Beide Protagonisten machen auf individuelle Weise bedeutende Veränderungen durch, beide geraten schließlich in persönliche Krisen. Obwohl sie Freunde haben, die in ihre Geheimnisse eingeweiht sind, müssen sie bestimmte Schwierigkeiten aus diversen Gründen alleine aus der Welt schaffen. Sie fühlen Ohnmacht, Hilflosigkeit und Einsamkeit.
Und sie finden wieder einen Weg aus der schwierigen Phase und entdecken schließlich Möglichkeiten, ihre Probleme zu lösen, sowie Hindernisse zu beseitigen. Gerade dieser Vorgang, in dem sowohl Lina, als auch Rick letztendlich lernen, ohne fremde Hilfe entscheidende Maßnahmen zu ergreifen und dementsprechend zu handeln, also der Prozess, der ein hohes Maß an Selbstständigkeit, Mut und Kraft erfordert, spielt eine große Rolle für meine Hauptcharaktere. Denn auf diese Weise entwickeln sich Rick und Lina persönlich weiter und erlangen schließlich Reife.
*Der Abschied von den Figuren*
Mitte Mai 2008 habe ich mein Romanprojekt begonnen. Allerdings zähle ich nur acht Monate als richtige Schreibarbeit. Mehrere Monate ziehe ich ab, weil ich mehr als zwei Monate Vollzeit gearbeitet und einen Monat lang ein Vollzeit-Praktikum absolviert habe. In dieser Zeit habe ich das Projekt vollständig auf Eis gelegt, weil ich nach der Arbeit, nach dem Praktikum einfach zu müde und zu unkreativ gewesen bin, um weiterzumachen. Überdies hat es mindestens sieben Wochenenden gegeben, an denen ich mir eine Auszeit gegönnt habe.
Nach vielen Monaten des Schreibens habe ich schließlich das bedeutende Wort "Ende" in die Mitte der Seite gesetzt.
Und mit knapp über 359 Seiten und rund 837 000 Zeichen habe ich meinen Roman beendet.
Der Abschluss eines Projekts ist ein wichtiger Augenblick. Denn plötzlich begreift man, dass etwas, woran man über einen längeren Zeitraum gearbeitet hat, nun fertig gestellt worden ist. Mit dem Schluss ist eine Geschichte zu Ende erzählt. Für den Autor endet an dieser Stelle das Abenteuer des Protagonisten, der Protagonistin. Auf wichtige Fragen folgen nun lang ersehnte Antworten. Manche Mysterien allerdings bleiben ungeklärt, weil sie darauf warten, in einem möglichen Sequel ergründet zu werden. Die einen Charaktere bekommen ihr Happy End, während die anderen mit ungeahnten Schwierigkeiten konfrontiert werden.
Sobald der Roman an einer bestimmten Stelle endet, beginnt im Kopf des Lesers im Idealfall eine eigene Geschichte, die da anknüpft, wo die geschriebene Fiktion Freiraum für persönliche Ideen und Fantasien schafft, in denen die Protagonisten neue Abenteuer erleben. Fesselnde Romane lassen den Leser nicht so einfach los. So entstehen Fan-Fictions, die aufgeworfene Fragen des Buches aufgreifen, die neue Personen-Konstellationen entwerfen und den Plot anders gestalten.
*"Ende" ... und nun?*
Ich habe zwei Monate lang keinen Blick auf meinen Roman geworfen, um Abstand zum Geschriebenen zu gewinnen. Dann fing ich schließlich an, Tag für Tag eine bestimmte Anzahl von Seiten zu lesen, also den Roman von Anfang bis zum Schluss durch zu gehen und dabei die Textpassagen zu bearbeiten. Diese Korrekturarbeiten dauerten mehr als zwei Wochen an. Dann hat ein Bekannter sich mit der Arbeit auseinandersetzt, sie lektoriert, Überflüssiges gestrichen und mir mitgeteilt, ob er alle Textstellen verstanden hat. Daraufhin habe ich den Roman ein weiteres Mal überarbeitet.
Mal sehen, wie es weiter geht …
Autorin / Autor: Dasha - Stand: 26. Otkober 2009