Gelöscht

Beitrag zum Schreibwettbewerb "Total digital" von Lina (26)

In echt trafen sie sich nur einmal im Jahr.
Zu groß die Gefahr echter Nähe.

Denn schnell war ihnen klar,
dass sie sich berührten, entführten
ihre Augen den Mann, sah er sie an.

Drum einfacher war’s, ins ‚Gesichtsbuch‘ zu schreiben,
so fiel es gar niemandem auf,
wie sehr er sie liebte, vermisste und küsste.
Schon gar nicht der eigenen Frau.

In diesem Raum, besser als face-to-face reden,
ließ Facebook die Liebe lang leben.
Er ließ sie, seinen Engel, wahrhaft virtuell schweben.
War er doch in echt schon vergeben.

Als die nächste Begegnung im Jahr darauf nahte,
war ihre Nähe noch stärker geworden.
Geborgen in inniger Zweisamkeit warteten
Funken gemeinsamer Zeit
auf ihr Leben. Der Wirklichkeit ergeben.

Im Morgengrauen,
leidenschaftlich,
küssten sie sich.
Das seine und ihr echtes Ich.

Dort schrieb man sich nicht.

Doch pflichtbewusst schrieb
seine Frau per WhatsApp,
wo er solang blieb.

Dies war ihm zu viel und er kehrte zurück
in sein Facebook-Profil. Was ein Glück.

Sein Herz eingesperrt,
von Vernunft angeschwärzt,
versteckte er sich im Account. Schlechtgelaunt,
sich in die eigene Tasche gelogen, hat er schnell
virtuell klare Grenzen gezogen.

Sein Facebook-Profil entschied das ihre zu hassen,
gefallener Engel. Gelöscht und verlassen.
So wahrte er vor seiner Frau das Gesicht,
das sein Facebook-Account ihr verspricht.

Was er einst empfand, löste er elegant
aus seiner Maske heraus und löschte mit Stil,
was sie vormals verband, einst seelenverwandt,
ihr Profil.

Er entfernte den Gesprächsverlauf
und ihre Facebook-Freundschaft hörte auf.

Sein Herz und sein Ich fragte er dabei nicht.
Bis das System zusammenbricht.

Auf der Plattform längst tot und nicht mehr existent,
blieb der gefallene Engel in seinem Herzen präsent.

Denn für Facebook und unser aller zweites Gesicht,
interessiert sich die Liebe oft nicht.
Viel lieber liest sie ein solches Gedicht.

So auch die Frau des Bösewichts.

Autorin / Autor: von Lina