Tage & Nächte
Autorin: Sigrid Zeevaert
An einem gewöhnlichen Nachmittag in irgendeiner deutschen Kleinstadt ist Jana in den Zug gestiegen und nach Paris gefahren. Sie hofft Pascal wieder zu treffen, den sie vor einigen Jahren auf Formentera kennen gelernt hat, aber eigentlich möchte sie vor allem Abstand von ihrem gewohnten Leben gewinnen und neues erleben.
Eben noch hat Jul mit seiner Band geprobt, dann schon brettert er mit seinem Vater Paul über die Autobahn in Richtung Paris. Seit Jahren hat er nichts mehr von seiner Mutter gehört, hat noch nicht mal gewusst, ob sie überhaupt noch lebt und nun hat sie sich gemeldet und möchte ihren Sohn zum letzten Mal sehen bevor sie stirbt.
Meine Meinung:
In sich abwechselnden Kapiteln berichtet die Autorin Sigrid Zeevert von Jul und Janas Tagen in Paris.
Dabei fällt früh auf, wie ähnlich sich die beiden Protagonisten sind. Etwas rastlos lassen sich beide durch die Stadt spülen, das Leben in Paris nehmen sie eher wie nebenbei wahr, weit mehr Raum beanspruchen innere, immer etwas nachdenkliche Fragen über ihre Familie, Träume und das Leben allgemein.
Eigentlich finde ich es spannend, wenn eine Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird, in „Tage und Nächte“ wirkt der Wechsel allerdings eher etwas ermüdend. Die beiden gleichen sich einfach zu sehr. Wäre der Wechsel nicht durch ein neues Kapitel gekennzeichnet, würde es wahrscheinlich nicht einmal weiter auffallen, dass die Autorin jetzt ausführlich über Juls und nicht mehr über Janas Gedanken schreibt. Die Seelenverwandtschaft ist sicherlich schön für die beiden, für mich, als Leser jedoch etwas langweilig.
Am Sacré-Cœur treffen sich Jana und Jul schließlich das erste Mal. Jana, etwas ratlos wo sie die Nach verbringen soll, schläft Rücken an Rücken mit Jul in dessen Bett, dann ist sie wieder verschwunden.
Fast unweigerlich scheint es, dass sie sich trotz 6 Millionen weiteren Menschen in der nicht gerade kleinen Stadt, wieder finden werden. Schließlich hatte Jul Jana schon einmal am Centre Pompidou gesehen und verloren, bevor sie sich am Sacre Couer getroffen haben. Fast so unwahrscheinlich wie zweimal vom Blitz getroffen werden, kommt einem da erstmal in den Sinn, aber gestört hat es mich eigentlich nicht, immerhin handelt es sich bei dem Roman vor allem um eine Liebesgeschichte und nicht um Wahrscheinlichkeitsrechung.
Was ich dagegen etwas zu widersprüchlich fand, war Janas Gesichte. Eine 16-Jährige reist allein nach Paris und macht sich kaum Sorgen um ihre nichts ahnende Familie und die Schule - okay, das kann sicherlich vorkommen. Aber ihren Plan, gar nicht mehr nach Hause zurückzukehren, sondern ans Meer zu fahren und sich dort eine Arbeit zu suchen, finde ich für eine 16-jährige etwas zu weit hergeholt. Zumal dies im Kontrast zu ihrem reichlich naiven Verhalten am ersten Tag steht, wo sie ohne irgendwelche Ängste mit zwei fremden Kerlen in deren Wohnung geht.
Etwas enttäuscht habe ich das Buch zugeklappt. Ich hatte irgendwie mehr erwartet, da die Grundidee hinter der Geschichte richtig interessant klang. Dass ich den Roman nicht sehr gelungen finde, liegt, so denke ich, aber weniger an der Autorin, als mehr an mir. Ich bin einfach kein Freund von endlos langen Monologen. Bei wem dies anders ist und wer Geschichten mag, die nachdenklich stimmen, wird das Buch aber sicherlich mögen.
Nach der letzten Seite habe ich übrigens nicht nur Enttäuschung gespürt, sondern auch Abenteuerlust. Mit meinem Fahrrad bin ich zwar nicht ganz so weit gekommen wie Jana, sondern nur 35 km, aber das kann während der Sommerferien ja noch etwas werden;). „Tage und Nächte“ ist demnach auch für alle etwas, die sich von Janas Reiselust anstecken lassen wollen und somit vielleicht doch auch etwas für mich...
*Erschienen im Thienemann Verlag*
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Autorin / Autor: schokobroetchen - Stand: 2. August 2010