(T)raumstädte - Stadt(t)räume

Einsendung zum Wettbewerb 2050 - Stadt meiner Träume von Silke, 49 Jahre

„Stadt meiner Träume?“ Geht es um „meine“ Traumstadt? Egoistische Denkweise. Ich würde mich in meiner maßgeschneiderten Utopie wohlfühlen. Aber die anderen? Stadt ist Gemeinschaft, zusammen leben und arbeiten. Das funktioniert nur, wenn sich die Menschen in ihrer Umgebung wohlfühlen. Dann ist auch Vandalismus kein Thema mehr.

In der Zukunft kann es nicht die eine, „meine“, Stadtvision geben, sondern parallel verschiedene Wohn- und Arbeitsformen. Wichtig sind Wahlmöglichkeiten. Jeder entscheidet, welcher Entwurf seinem Traum entspricht und zieht dorthin. Einwohner mit ähnlichen ästhetischen Vorstellungen kommen besser miteinander aus. Meine Nachbarn im Jahr 2015 ärgern sich über meinen in der Gosse kultivierten Löwenzahn, während sie ihre Rasenkanten mit der Nagelschere schneiden. Und wenn ich nicht aufpasse, ist meine Gossenbepflanzung schnippschnapp gleich mit weg. Aus „Rache“ verbreite ich alle Pusteblumen, die ich finden kann, auf Nachbars Rasen. 2050 kann jeder entscheiden, ob er in die Nagelscherenrasenkantenschneider- oder die UnkrautinderGossestehenlass-Stadt einzieht.

Deutschland: durchgestylt mit rigider Stadtplanung, Kreativität wird erstickt. Da geht es um die Heckenhöhe, Dachneigungen, Größe und Zahl der Fenster zum Nachbarn, wie weit die Regenrinne überstehen darf und vieles mehr. Warum urlauben Deutsche gerne in Griechenland, der Türkei, Frankreich oder Italien? Auch, aber nicht nur der Sonne wegen. Es lässt sich dort so schön malerisch leben. Die Häuser sind nicht genormt, jeder baut, wie er meint. Beneidenswert! Das geht nur mit weniger Stadtplanung, daher wird sie in meinen Utopien freigiebiger.

2050, scheinbar noch weit in der Zukunft. Zukunft gleich Futurismus? Muss Städtebau noch moderner werden, nur, weil es bessere Möglichkeiten gibt? Nur bedingt. Sicher entstehen dann auch Städte aus Beton, Stahl, Glas, kubistischen Formen, techniküberladen. So etwas kommt immer heraus, stellt man Architekten als Aufgabe die Besiedlung des Mondes. Menschen, die so etwas mögen, sollen dort hinziehen. Für mich wäre das nichts.

Ich bewohne ein Fachwerkhaus, über 200 Jahre alt, und liebe es. Nicht denkmalschutzverkitscht, man sieht ihm das 21. Jahrhundert ehrlich an. Trotzdem hat es den Flair, den nur solche Häuser haben. Im Jahre 2050 baut man Fachwerkstädte ganz neu auf. Keine Mittelalterkopien, bei denen man sich wegen mangelnder Stehhöhe den Kopf anstößt. Hübsch anzusehen und trotzdem von modernen Menschen belebt, mit allem technischen Komfort ausgestattet. Keine unbewohnbaren Denkmäler. Immer, wenn ich von Weitem mein Häuschen sehe, geht mir das Herz auf. Warum ist Fachwerk aus der Mode gekommen? 2050 wird diese gemütliche Bauform wieder „in“ sein. Als eine von vielen Möglichkeiten.

Manche bevorzugen steinern-historisch. Warum nicht ebenso ans Mittelalter gemahnende Städte aus Bruchsteinen bauen, mit einer malerischen Mauer umgeben, die Stadtverwaltung in der Burg? Wiederum ausgestattet mit modernster Technik, v.a. auch Kanalisation. Sooo historisierend soll es nicht sein ... Schöne Wohnumgebung ja, aber kein krampfhafter Verzicht auf Bequemlichkeiten einem Pseudodenkmalschutz zuliebe.

Liebhaber des 19. Jahrhunderts finden im Jahr 2050 neu erbaute Gründerzeitstädte vor, ebenfalls mit allem Komfort ausgestattet. Gründerzeitreste in heutiger Zeit sind durch Nachkriegsbebauung der Bombenlücken verschandelt. Mut zur Lücke wäre besser gewesen.
Gibt es vielleicht sogar Anhänger eisenzeitlicher Pfahlbauten? Nichts spricht dagegen, einen schönen Teich auf so eine alte Weise zu besiedeln. Auch hier muss Traditionelles und Neues austariert gemischt werden, um solche Domizile in der morgigen Zeit bewohnbar zu machen.
Bauen ist eine uralte Tradition der Menschheit, die schon immer sehr erfindungsreich war. Leider sind viele alte Gebäude nicht mehr erhalten, historische Welten für immer verloren. Man baut in der Gegenwart nicht mehr „altmodisch“, kann es ja inzwischen „besser“. 2050 gibt es diese falsche Scheu nicht mehr. Man verwendet moderne Materialien und neueste Technik für alte Bauformen. Es wird neue Städte in Erinnerung an alle historischen Epochen geben, für jeden zum Wohlfühlen.
Was lieben wir noch an ausländischen Siedlungen, die uns im Urlaub immer wieder in ihren Bann ziehen? Die Farben. Warum ist Deutschland bloß so dezent, so farblos? Fast alle Häuser weiß, nach wenigen Jahren schmutziggrau. Bei uns scheint die Sonne so selten, warum nicht wenigstens mit etwas Leuchtkraft nachhelfen? 2050 wird es bei uns Städte mit Farbkonzepten geben. Manche sind nur in Rotorangegelbtönen gehalten. Mein persönlicher Favorit, ich ziehe in ein leuchtend orange-farbenes Haus, natürlich Fachwerk! Andere decken die kühle Palette mit Grün und Blau ab, dann welche in Naturfarben wie braun, ocker, gold, oliv. Und vielleicht woanders auch klassisches Grau-weiß wie heutzutage üblich - oder zur Abwechslung eine Siedlung ganz in schwarz, für die Gothikszene oder „Hells Angels“? Extra für sie die Hölle auf Erden, paradiesisch!

Wem die Farbsortierung der Häuser zu eintönig ist, zieht in eine Stadt, in der alle Farben zugelassen sind, kunterbunt, wie es sich beim Bau ergibt. Jedem das Seine!

Für 2050 wünsche ich mir nicht (m)eine Utopie, stattdessen ganz viele. Wichtig für alle diese Vorstellungen: Wohnen, Arbeiten und Freizeit sind räumlich engstens verbunden. Heimarbeitsplätze werden zur Regel, Videokonferenzen ersetzen persönliche meetings via skype. Lange Pendelwege entfallen, man arbeitet effektiver und hat mehr Freizeit, die man mit Freunden verbringt. Soziale Kontakte sucht man nicht vorwiegend auf der Arbeit, wo man zufällig mit anderen zusammengewürfelt ist, sondern im privaten Umfeld. (T)raumstädte – Stadt(t)räume, für jeden das Passende!

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