Eine fremde Straße! Fremde Menschen! Wo bin ich hier? Ich schaue mich um. So viel Grün! Aber warum ist es dort hinten auch in großer Höhe noch grün? Ich sehe genauer hin und erkenne ein Hochhaus, das bis in den Himmel reicht. Aber es ist kein Hochhaus wie ich es kenne, überall wachsen Blumen, Büsche und Bäume so dass man die Form des Gebäudes gar nicht mehr erkennen kann. Das sieht wunderschön aus.
Ich gehe die Straße entlang, rechts und links gibt es noch viele dieser Häuser. Dann komme ich an eine Kreuzung. Jetzt erst wird mir bewusst, dass ich noch gar kein Auto gesehen habe. Komisch! Und für was sind denn diese Pfeiler in der Straßenmitte? So etwas habe ich noch nie gesehen. Sie erinnern mich an ein Modell eines Molekülgitters aus Plexiglas. Mein Blick wandert an einem von ihnen nach oben und dort scheint eine Fahrbahn zu sein. Aber man hört keinerlei Motorgeräusch. In einiger Entfernung sehe ich Menschen aus einem der Pfeiler hervortreten und andere gehen hinein. Ob es da nach oben geht? Ich laufe hin und stehe nun vor einer Art Paternoster der sich in einem der Pfeiler befindet. Der große Unterschied zu einem normalen Paternoster ist die Art, wie man ihn betritt. Ich stelle mich, wie zuvor die Anderen, auf eine Platte vor dem Fahrstuhlschacht und schon werde ich in das nächste „Fach“ gefahren. Das ist ja klasse! Oben geht es auf die gleiche Weise wieder hinaus und ich stehe auf einer Art Bahnsteig. Aber es gibt keine Schienen sondern zwei Fahrspuren. Auf der hinteren sausen Kabinen von der Größe eines Kleintransporters vorbei. Und immer wieder schert eine auf die vordere Spur aus, hält am Rand und Menschen steigen aus und ein. Jetzt fallen mir die Hinweistafeln, die von der Decke hängen, auf. Darauf stehen Stadtteile und Straßennamen. Gerade hält vor mir eine Kabine und als sich die Seitenfront nach oben öffnet sehe ich, dass sich darin mehrere Sitzreihen befinden. Ich steige ein und nehme Platz. Schon geht es los. Durch die großen Panoramafenster habe ich einen wunderbaren Blick auf die Umgebung. Fast überall ist es so grün wie in der Straße zuvor. Vorbei geht es an einem See, auf dem kleine Boote fahren. Dann ein freier Platz mit einer Bühne und einer Großleinwand auf dem sich viele Menschen tummeln. Nach ein paar Minuten gibt es nicht mehr so viele Pflanzen, nur noch Baumalleen und Blumenbeete. Und ich sehe Geschäfte. Aha, die Einkaufsmeile. Ich steige aus und fahre nach unten.
Dann ist es auf einmal Abend und überall geht die Beleuchtung an. Alles wird durch Lampen, die sich an der Unterseite der Hochstraße befinden, in ein gleichmäßiges, warmes Licht getaucht. Bunte oder blinkende Leuchtreklamen sehe ich nirgends und keine grelle Neonbeleuchtung oder gleisendhelle Strahler, nur die Schilder der Läden und deren Schaufenster sind beleuchtet.
Dann beobachte ich die Menschen um mich herum. Sie wirken alle so entspannt, scheinen alle keine Eile zu haben, sitzen auf den überall aufgestellten Bänken. Und noch etwas ist anders, ich komme nur nicht sofort drauf. Dann weiß ich es! Keiner hat ein Smartphone in der Hand und die Leute reden miteinander!
Ich schlendere auf der Straße weiter und komme an eine Treppe die zu einer Plattform unterhalb der Hochstraße führt. Und dort sind sie, die Smartphonenutzer. Hören kann ich sie nicht, die Plattform ist von dicken Glaswänden umschlossen. Das gefällt mir! Überhaupt fühle ich mich sehr wohl hier, es ist so ruhig. Kein Hupen, kein Motorenlärm, kein nerviges Gequäke aus irgendwelchen Lautsprechern.
Ich schaue mich weiter um. Da wird mir bewusst, dass es hier extrem sauber ist. Kein Fitzelchen Papier liegt herum, kein Plastik, keine Zigarettenkippen. Und auf dem Boden ist kein einziger platt getretener Kaugummifleck! Das ist ja wie in Singapur, denke ich. Der Grund für diese Sauberkeit ist schnell gefunden. Alle paar Meter ist an den Häuserwänden ein leuchtendroter Abfallbehälter angebracht und niemand scheint es zu lästig zu sein, seinen Müll dorthin zu bringen.
Jetzt gehe ich die Straße weiter und schlendere an den Schaufenstern vorbei. Was es hier für Sachen gibt! Hier ist es selbstreinigende Kleidung, dort Schuhe deren Sohlen und Absätze sich nicht ablaufen. Ein Stückchen weiter werden Elektrogeräte mit 15 Jahren Garantie auf die Haltbarkeit angeboten. Und gegenüber gibt es Geschirr mit dem Versprechen, das Design mindestens 20 Jahre nachkaufen zu können.
Ich nähere mich dem Ende der Straße und höre Gelächter und fröhliches Rufen. Da ist eine wunderschöne Parkanlage mit vielen alten Bäumen. Wieso ist es eigentlich auf einmal wieder Tag?
Ich sehe einen großen Spielplatz mit einer Vielzahl Klettergerüsten, Schaukeln, Sandkästen und vielem mehr. Alles in bestem Zustand. Viele Kinder toben und spielen auf den Geräten und im Sand. Daneben plätschern und spritzen diverse Wasserspiele. Etwas weiter entfernt blitzt das Wasser eines kleinen Sees durch die Büsche. Ich gehe näher. Am gegenüber liegenden Ufer ist ein schöner Sandstrand mit Sonnenschirmen und Strandkörben. Viele Leute planschen im Wasser. Alle scheinen sehr viel Spaß zu haben.
Langsam schlendere ich weiter durch den Park an Rabatten mit üppig blühenden Blumen und einer großen Marmorskulptur, einem richtigen Adonis, vorbei. Nach ein paar Metern drehe ich mich noch einmal um, um einen letzten Blick auf den Park zu werfen. Ich stutze. Wieso sehe ich die Skulptur wieder von vorne und nicht von hinten? Hat sie sich umgedreht? Verwundert gehe ich weiter.
Am anderen Ende der Anlage sind wieder Häuser. Sie liegen inmitten von großen, durch Hecken voneinander abgegrenzten Grundstücken und alle sehen sehr gepflegt aus. Auf den Terrassen stehen Gartenmöbel, Familien sitzen dort beim Abendessen. Es dämmert ja schon wieder!
Auf einmal höre ich entfernt einen schrillen Laut der die Idylle etwas stört. Und er wird immer lauter! Ich sehe mich ich um, kann aber keine Ursache dafür finden. Warum hört das nicht auf?
Und plötzlich liege ich in meinem Bett und die Sonne scheint mir ins Gesicht!