17. Shell-Jugendstudie bescheinigt jungen Menschen steigendes Politikinteresse und positive Grundeinstellung zur Zuwanderung
Wer wissen will, wie die Jugend in Deutschland denkt und was sich im Abstand von drei bis vier Jahren so alles verändert hat, schaut zum Beispiel auf die Shell-Jugendstudie, die der Mineralölkonzern bereits seit 1953 von staatlichen Forschungseinrichtungen durchführen lässt. In diesem Jahr sind die beteiligten Wissenschaftler_innen voll des Lobes für die 12 bis 25 Jährigen, sie kommentieren das Ergebnis ihrer Befragung als „bemerkenswert, überraschend und richtungsweisend“, denn die junge Generation befinde sich im Aufbruch, sei anspruchsvoll, wolle mitgestalten und neue Horizonte erschließen, so Studienleiter Professor Dr. Mathias Albert von der Universität Bielefeld. Besonders beeindruckt hat die Studienautor_innen, dass wieder mehr junge Leute Interesse an Politik zeigen und dass es der großen Mehrheit wichtig sei, „die Vielfalt der Menschen anzuerkennen und zu respektieren“. In der Tat ein Hoffnungsschimmer in einer Zeit wiedererstarkender rechtspopulistischer Einstellungen, PEGIDA-Demos und rechtsradikaler Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte.
Überhaupt sind die Jugendlichen eher positiv gegenüber der Zukunft eingestellt, zumindest die persönliche Zukunft sehen 61 Prozent der Befragten optimistisch, während allerdings nur 52 Prozent auch die gesellschaftliche Zukunft so beurteilen. Sorgen macht ihnen besonders der Anstieg der Fremdenfeindlichkeit (48 Prozent heute gegenüber 40 Prozent im Jahr 2010). Denn sie selbst sind in den letzten Jahren wesentlich offener gegenüber Zuwanderung geworden, zumindest die jungen Frauen und Männer in Westdeutschland.
Dazu passt, dass Jugendliche sich zunehmend für das Weltgeschehen interessieren, das ihnen allerdings auch Sorgen macht, besonders die gestiegene Terrorgefahr und der Ukraine-Konflikt. Fürchteten sich 2010 nur 44 Prozent vor Krieg in Europa, ist die Zahl 2015 sprunghaft auf 62 Prozent angestiegen. Drei Viertel haben Angst vor Terroranschlägen. Gefragt nach der Rolle Deutschlands, wünschen sie sich eine wichtige, vermittelnde, aber keine militärisch eingreifende Position in der internationalen Politik. Überhaupt bezeichnen sich heute viel mehr Jugendliche (41 Prozent) als politisch interessiert (2002: 30 Prozent) und engagieren sich auch. Allerdings gehen ihre Aktionen eher in Richtung Konsum-Boykott aus politischen Gründen oder das Unterzeichnen von Online-Petitionen. Jeder Vierte hat auch schon einmal an einer Demonstration teilgenommen. Etablierten Parteien, großen Unternehmen, Kirchen und Banken bringen sie dagegen weniger Vertrauen entgegen als Menschenrechts- und Umweltschutzgruppen.
*Der Beruf soll interessant sein, aber auch Zeit für Privatleben lassen*
Bezogen auf Bildung und Berufe haben Jugendliche hohe Ansprüche. Die meisten wollen einen interessanten Beruf, doch an erster Stelle steht ein sicherer Arbeitsplatz (95 Prozent). Der soll jedoch so aussehen, dass Familie und Kinder nicht zu kurz kommen: Für rund vier Fünftel der Jugendlichen ist es wichtig, dass sie ihre Arbeitszeit kurzfristig an ihre Bedürfnisse anpassen können. Drei Viertel möchten in Teilzeit arbeiten können, sobald sie Kinder haben. Karriereorientierung steht - zumindest in diesem Alter noch - weit hinter hinter der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben. Das gilt insbesondere für junge Frauen, die durchschnittlich noch höhere Erwartungen haben als ihre männlichen Kollegen.
*Freundschaft, Partnerschaft und Familie*
Wichtig sind den meisten nach wie vor ihre Liebsten: Freundschaft, Partnerschaft und Familie stehen bei Mädchen und Jungen an erster Stelle. 89 Prozent finden es besonders wichtig, gute Freunde zu haben, 85 Prozent, einen Partner zu haben, dem sie vertrauen können, und 72 Prozent, ein gutes Familienleben zu führen. Mehr als 90 Prozent der Befragten pflegen tatsächlich ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Fast drei Viertel würden ihre Kinder ungefähr so oder genauso erziehen, wie sie selbst erzogen wurden. Allerdings wünschen sich nur noch 64 Prozent der Jugendlichen Kinder, gegenüber 69 Prozent im Jahr 2010. Besonders bei Jungen und bei Jugendlichen aus benachteiligten Gesellschaftsschichten geht der Wunsch nach eigenem Nachwuchs zurück.
*„Generation im Aufbruch“*
Insgesamt sehen die Autoren im Vergleich zu den vorangegangenen Studien einen Sinneswandel bei den Jugendlichen. Lautete das Gesamturteil über die Jugendlichen von 2002 und 2006 noch „pragmatisch und unideologisch“, werden sie jetzt als „Generation im Aufbruch“ gefeiert, weil das politische Interesse allmählich wieder steigt. „Das ist für mich ein großartiges Zeichen. Es zeigt, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in unserem Land die Vorteile und Chancen gesellschaftlicher Vielfalt wahrnehmen. Und das ist angesichts der gegenwärtigen Flüchtlingsproblematik von herausragender Bedeutung“, sagte auch Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
*Zur Methodik*
Die 17. Shell Jugendstudie 2015 stützt sich auf eine repräsentativ zusammengesetzte Stichprobe von 2.558 Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren aus den alten und neuen Bundesländern, die von den Interviewern von TNS Infratest zu ihrer Lebenssituation und zu ihren Einstellungen und Orientierungen persönlich befragt wurden. Die Erhebung fand auf Grundlage eines standardisierten Fragebogens im Zeitraum von Anfang Januar bis Mitte März 2015 statt. Im Rahmen einer ergänzenden qualitativen Studie wurden zwei- bis dreistündige vertiefende Interviews mit 21 Jugendlichen dieser Altersgruppe durchgeführt.
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 14. Oktober 2015