Veränderung

Einsendung zum Wettbewerb #netzheldin von Silja, 16 Jahre

Zahlen. Buchstaben. Leuchtende Ziffern tanzen vor meinen Augen. Bilder. Filme. In meinen Ohren rauschen Tonsequenzen. Mein Blick wandert in den unteren Rand des Bildschirms, bleibt an den winzigen, weißen Ziffern hängen. Es ist kurz vor drei. Ich sollte schlafen gehen. Ich klappe den Laptop zu, krieche unter meine kühle Bettdecke, schließe die Augen und schlafe.
Als ich die Augen öffne ist es halb zwölf. Ich schlage die Decke zur Seite und reiße die Fenster auf. Frische, kühle Luft strömt in mein Zimmer und öffnet meine Lungen. Meine langen, braunen Haare glänzen im Sonnenschein. Ich hole mir einen Apfel und esse ihn, während ich den Laptop einschalte. Daneben mein Handy. Ich verbinde beides mit einem Kabel. Es kann losgehen. Ich überfliege den Chat. Das Mädchen hat wirklich nicht übertrieben. Dann fliegen meine Finger über die Tastatur, nicht lange, dann bin ich drin.

Heute heiße ich Juan. Ich bin ein Junge. 14 Jahre alt. Blond, groß, muskulös. Gehe jeden Tag trainieren. Auf den Fotos sehe ich aus, als wäre ich der wichtigste Mensch auf der Welt. Zumindest fühle ich mich so. Definitiv. Man erkennt es am Gesichtsausdruck. Die Gesichtszüge sind maskulin. Kantig. Große, braune Augen. Harter Blick. Mein Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. So siehst du aus, denke ich. Ich finde das Mädchen gleich. Sara. Ich lösche als erstes alle meine öffentlichen Kommentare, die ich unter ihren Fotos gepostet habe. Aber das Netz vergisst nie. Dann entschuldige ich mich bei ihr. Sie ist hübsch. Habe ich deswegen all diese Kommentare geschrieben? Aus Neid? Ich überprüfe ihren Beziehungsstatus. In einer Beziehung. Dachte ich es mir doch. Ich entschuldige mich erneut. Schließlich antwortet sie.

Weißt du eigentlich, wie sehr du mir weh getan hast? Für wie oberflächlich mich alle jetzt halten?

Ich glaube nicht. Ich versuche es zu erahnen. Es tut mir leid.

Lüg nicht!

Das ist nicht gelogen.

Lass mich einfach in Ruhe, okay?!

Okay. Ich wollte das nur nicht so stehen lassen. Ich habe alle Kommentare gelöscht.

Es weiß aber sowieso schon jeder, was du für Scheiße geschrieben hast.

Ich werde mich öffentlich entschuldigen, wenn du nichts dagegen hast.

Du lügst schon wieder.


Ich überlege einen Moment, dann entschuldige ich mich. Öffentlich. Sara schreibt wieder.

Warum machst du das jetzt?

Ich kann nicht darüber sprechen. Aber ich glaube, ich habe verstanden. Es tut mir wirklich aufrichtig leid.

Schon in Ordnung. Ich werde versuchen, dir zu verzeihen.

Danke.


Sara antwortet nicht mehr. Ich glaube, ich habe es geschafft. Gegen eins sehe ich, das Juan online ist. Er hat meine Nachrichten gelesen. Aber er schreibt nichts. Erst eine halbe Stunde später. Er schreibt:

Ich habe mich verändert.

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