Schön ist der, den man versteht

Studie: Wenn Hirne zueinander passen, erhöht das die zwischenmenschliche Anziehung

Attraktivität liegt bekanntlich im Auge des Betrachters und jeder beurteilt anders, ob er jemanden anziehend findet. Darüber entscheidet natürlich nicht nur das Aussehen. Attraktiv finden wir anscheinend vor allem diejenigen, die wir auch ohne große Worte verstehen. Es kommt wohl nicht allzu schlecht an, wenn der Partner einem jeden Wunsch von den Augen ablesen kann. Das macht direkt attraktiv. Das behaupten zumindest Forscher_innen um Silke Anders von der Universität zu Lübeck in einer aktuellen Studie, die im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA (PNAS) veröffentlicht wurde.

„Soziale Beziehungen und Kooperation sind für den Menschen überlebenswichtig. Erfolgreiche Kooperation erfordert, dass wir unser Gegenüber verstehen, seine Gefühle und Absichten erkennen und richtig interpretieren. Aus evolutionsbiologischer Sicht ist es daher naheliegend, dass das menschliche Gehirn einen Mechanismus entwickelt hat, der es uns erlaubt, schnell und richtig zu erkennen, wen wir verstehen und wen nicht, und der dazu führt, dass wir uns zu Menschen hingezogen fühlen, deren Gefühle und Absichten wir gut verstehen können“, sagt Prof. Dr. Silke Anders.

92 männlichen und weiblichen Studienteilnehmern haben die Forscher_innen in ihrer Studie zunächst Fotos von sechs verschiedenen Studentinnen gezeigt. Um zu messen, wie attraktiv die Teilnehmer jede Studentin fanden, wurden sie gebeten, jedes Foto solange durch Tastendruck auf einem Monitor zu vergrößern, bis eine für sie angenehme Gesprächsdistanz erreicht war. Anschließend sahen die Teilnehmer kurze Videos, in denen die einzelnen Studentinnen entweder traurig waren oder sich vor etwas fürchteten. Nach jedem Video sollten die Teilnehmer entscheiden, ob die gezeigte Studentin gerade traurig oder ängstlich war, und angeben, wie sicher sie sich waren, dass sie die Emotion der Studentin richtig eingeschätzt haben. Zum Schluss wurde noch einmal das Annäherungsverhalten der Teilnehmer gemessen.

Wie erwartet, änderte sich das Annäherungsverhalten der Teilnehmer im Laufe des Versuchs. Während die Teilnehmer zu Beginn des Versuchs ähnliche Studentinnen bevorzugten, zeigten sie große Unterschiede in ihrem Annäherungsverhalten, nachdem sie die Videos der Studentinnen gesehen hatten. Je sicherer sich ein Teilnehmer war, dass er die Gefühle einer Studentin richtig einschätzen konnte, desto mehr fühlte er sich zu dieser Studentin hingezogen. Dies galt sowohl für männliche als auch für weibliche Teilnehmer.

Im nächsten Schritt wollten die Wissenschaftler einen Einblick in die neuronalen Mechanismen erhalten, die dafür verantwortlich sein könnten, dass sich das Annäherungsverhalten der Teilnehmer während des Versuches individuell veränderte. Dafür maßen sie die Gehirnaktivität der Teilnehmer mit Hilfe von funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT). Dies zeigte, dass zwei Regionen des Gehirns, die Teil des Belohnungssystems sind immer dann besonders stark „feuerten“, wenn ein Teilnehmer das Gefühl einer Studentin besonders gut einschätzen konnte. Und je stärker die neuronale Aktivität in diesen Belohnungszentren beim Beobachten der Emotion einer Studentin war, desto stärker fühlte sich der Teilnehmer am Ende des Versuchs zu dieser Studentin hingezogen.

„Mit unserer Studie untersuchen wir erstmals die neuronalen Grundlagen interindividueller Unterschiede in der zwischenmenschlichen Anziehung“, so Silke Anders. „Die Fähigkeit, gut miteinander kommunizieren zu können, spielt dabei offensichtlich eine ganz entscheidende Rolle.“

Thomas Ethofer ergänzt: „Unsere Untersuchungen legen nahe, dass Kommunikationspartner über ähnliche ‚neuronale Wörterbücher‘ verfügen müssen, damit Kommunikation funktioniert. Je besser das neuronale Wörterbuch von Sender und Empfänger übereinstimmen, desto einfacher ist die Kommunikation.“

Publikation:
Anders S, de Jong R, Beck C, Haynes JD, Ethofer T. A neural link between affective under-standing and interpersonal attraction. PNAS Early Edition. doi/10.1073/pnas.1516191113.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung Universität zu Lübeck - Stand: 11. April 2016