Fünf Minuten und zwei Jahre

Einsendung zum Wettbewerb "Schreiben mit allen Sinnen" von Lilli, 16 Jahre

Seit einiger Zeit habe ich pulsierende klopfende Kopfschmerzen. Nach wochenlangen
Untersuchungen warte ich jetzt auf mein Urteil, meine Diagnose.
Endlich steckt der Arzt den Kopf durch seine Tür, nennt meinen Namen. Ich springe auf.
Zitternd gehe ich quer durch den Wartesaal, auf die hölzerne Papptür zu und betrete das
Büro. Die Klinke ist noch warm als ich sie runterdrücke. Vor dem Schreibtisch steht einer
dieser unbequemen Stühle, bei denen einem der Hintern nach fünf Minuten wehtut - hart und hässlich.
Nervös kratze ich den blauen Lack von meinen Nägeln, setze mich.

Der schnautzbärtige Mann hat ein vom langjährigen ambitionierten besorgt-sein
runzelig gewordenes Gesicht. Jetzt holt er zischend Luft und eröffnet mir dann sinngemäß,
dass ich meine Zukunft vergessen kann, denn in meinem Hirn wächst ein Tumor.
"Es besteht Hoffnung auf Heilung, Krebs ist kein Todesurteil!", meint er.
"Zwei Jahre sind eine lange Zeit und die Krebsforschung macht große Fortschritte!" 
Nur noch zwei Jahre?
Ich höre nicht mehr zu. Zwischen den pulsierenden Schlägen der mutierten Tumorzellen
erfüllt ein einheitliches Piepen meinen Kopf, das mir sagt, ich werde sterben.
Sehr sehr bald.

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Autorin / Autor: Lilli, 16 Jahre