Falsche Bilder
Autor: Jan de Leeuw
Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf
Die Nazizeit aus einem anderen Blickwinkel
Eigentlich sollte es eine ganz normale Beerdigung werden, zu der Arnould von seinem Vater mitgeschleppt wurde. Seine Großmutter war gestorben, doch Arnould hatte sie kaum gekannt. Doch seine Großmutter vererbt trotz Streit das Haus und ihr Geld Arnoulds Vater. Aus diesem Grund muss Arnould die gesamten Sommerferien in einem verschlafenen Nest irgendwo im Nirgendwo verbringen. Aber auch Arnould hat etwas geerbt. Einen Nähkasten und darin einen Brief. Darin schreibt sie über ihre Kindheit und Vergangenheit. Beschreibt, was ihr Mann, also Arnoulds Großvater, für ein Mensch war und wie sie ihn kennen gelernt hat. Zuletzt berichtet die alte Frau über das, was „unter den Deutschen“ geschehen ist.
Nach einem Überfall auf die Besatzung, wurden zehn Männer des Dorfes unschuldig erschossen. Unter ihnen Arnoulds Großvater, der ebenfalls Arnould hieß. Er war der einzige, der nicht auf offener Straße als Geisel ausgewählt wurde. Ihn zog man aus der Dorfschule, wo er unterrichtet. Außerdem hatte er ein Messer dabei, das in der Schule vollkommen fehl am Platz schien. Es gab Gerüchte, die die Baroness beschuldigten, Großvater Arnould unter die Geiseln gewählt zu haben. Die Baroness war den Deutschen gegenüber freundlich gesinnt und steht seit dem Krieg in Zwietracht mit den Dorfbewohnern.
Außerdem erhält Arnould von seiner Großmutter Bilder geschenkt. Eines davon zeigt ein Schloss, dass Arnould tags darauf besucht. Als ungebetener Besucher findet er sich vor dem Bett der schlafenden Baroness wieder, die zu allem Übel auch noch aufwacht. Bei seiner Flucht lernt er Rebecca kennen, die Enkelin von Paula. Paula ist schon früher hinter Arnoulds Vater her gewesen, jetzt geht sie wieder auf die Jagd nach ihm. Auch Arnould und Rebecca sind auf der Jagd. Sie suchen Eulen. Gemeinsam mit Eulenforscher Titus versuchen sie die Eulen rund um Deemstervelde zu orten und zu bestimmen. Außerdem kümmern sie sich um eine aus dem Nest gefallene Eule. Als Arnould, durch einen Fahrradunfall verletzt, die Eule füttern soll, entwischt sie ihm. Um sie zu retten, versucht er sie einzufangen. Plötzlich wird alles dunkel und er wacht im Schloss der Baroness wieder auf.
Dort erfährt er einen weiteren Teil der Vergangenheit und das die Gerüchte des Dorfes nichts als heiße Luft sind. Die Erzählungen der Baroness handeln vom Krieg, von den Deutschen, die Belgien besetzten und Geldgier. Nicht zu letzt berichtet sie von einem Racheakt gegen die Deutschen und den Überfall auf einen Konvoi mit Kunstgegenständen. Langsam kehrt Licht ins Dunkel und Arnould beginnt zu verstehen. Nur eine Frage beleibt, was ist mit den Bildern aus dem Kunstraub geschehen? Der zweite Brief seiner toten Großmutter gibt Antwort auf das letzte Rätsel.
Das Buch ist von einem belgischen Autor und wurde bereits unter dem Titel "Das Schweigen der Eulen" veröffentlicht. Die Geschichte spielt in einem flämischen Dorf und ist mit einem geschichtlichen Hintergrund verbunden. Alles was Arnould von den Menschen des Dorfes über die Vergangenheit wissen möchte, wird tot geschwiegen. Die Vergangenheit heißt Belgien zur Zeit des 2. Weltkrieges. Der Autor, Jan De Leeuw, schreibt von der deutschen Besetzung und der bevorstehenden Eingliederung ins „deutsche Großreich“. Interessant ist, dass es mal kein Buch über die Nazi-Zeit ist, das von einem deutschen Autor geschrieben wurde. Das Buch ermöglicht so einen Einblick in den Blickwinkel eines anderen Lands auf diese Zeit. Wie haben Menschen von besetzten Zonen damals reagiert? Was passiert mit Leuten, den die Deutschen gegenüber freundlich gesonnen waren? Antwort auf diese Fragen hat de Leeuw in seinen Roman verpackt. An manchen Stellen wird dieser andere Blick aber auch befremdlich wirken. Zum Beispiel wenn man „Wo bleiben die Nazis, wenn man sie braucht“ ließt. Der Roman regt zum Nachdenken über die eigene Kultur und die der anderen Länder an. Und es zeigt, wie verschiedene Länder mit Geschichte um gehen.
Das Buch ist im Taschenbuchformat und beim dtv pocket Verlag erschienen. Mit etwa 300 Seiten bietet es Lesefutter fürs Nebenbeilesen. Die Bücherwürmer unter den Lizzys werden aber, dank großer Schrift, nach kurzer Zeit mit dem Buch fertig sein. Die Informationen über Belgien im 2. Weltkrieg sind interessant, aber lang nicht flächendeckend. Einen kleinen Einblick bekommt man, wer mehr wissen will, muss nachforschen. Ebenso ist es mit den Infos über die Eulen. Gestreute Basisinformationen zur Eulenkunde bietet der Autor, wenn Arnould mit Rebecca und Titus auf Eulensuche geht, um selbst zum Eulenforscher zu werden, muss man sich aber andere Lektüre bedienen. Lizzys, die über Sichtweisen und Länder lesen und nachdenken wollen, finden in dem Buch aber einen großen Denkanstoß.
*Erschienen bei dtv junior*
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Autorin / Autor: missmarie - Stand: 30. Januar 2009