Die Rückkehr des Seth - Mumienherz

Autor: Thilo P. Lassak
Mysterie-Thriller-sonstwas

Skyline von New York

Noch keine Urlaubslektüre gefunden? Dann wird’s aber Zeit! Immerhin haben einige von uns (die Glücklichen) schon Ferien. Geht’s vielleicht sogar ins sonnige Ägypten, oder sollte es gehen, ist aber leider an den Finanzen gescheitert? Kein Problem, man kann sich ja durch das richtige Buch leicht dort hin versetzen. Vielleicht seid ihr genau danach auf der Suche und lest deshalb diese Kritik.

*Baby mit Riesenherz*
Wer allerdings wirklich etwas über das Land am Nil lesen will, ist mit „Die Rükkehr des Seth – Mumienherz“ nicht besonders gut bedient. Entgegen aller Erwartungen spielt es nämlich größtenteils im hohen Norden, genauer gesagt in Schweden, sowie in New York City. Letzteres liegt zwar – ganz grob gesehen – annähernd auf demselben Breitengrad wie Kairo, hat mit antiken Göttern und Wüstenromantik herzlich wenig am Hut. So überrascht es auch nicht, dass das Geschehen – Sid Martins, rebellisches Kind reicher, versnobter Großstadteltern, wird von einem jahrtausendealten Kult verfolgt, der ihm das Herz einer ebenso alten Mumie eingesetzt hat und nun darauf wartet, dass in seinem jungen Opfer das Wesen des alten Meisters erwacht, von dem dieses Organ stammt – auf den Leser größtenteils einen ebenso absurden Eindruck macht wie auf die Hauptperson selbst. Anfangs noch sehr schwer auszumachen, beginnt sich aus den ersten, losen Handlungsenden – denn der Autor wechselt oft zwischen verschiedenen Perspektiven, was das Buch zwar in gewisser Weise spannender, aber auch verwirrend macht – ein Plot herauszukristalisieren, von dem allerdings zwar klar ist, dass es ihn gibt, nicht aber, wie er genau aussieht. Dieser Zustand zieht sich mehr oder weniger nahtlos über ca. 370 Seiten, und gerade, wenn man endlich Sympathie für die beiden Hauptpersonen gefasst hat und gerne mehr über ihr Schicksal erfahren will, kommt die Erzählung zu einem abrupten, unbefriedigenden Ende – ich zumindest saß buchstäblich da und habe den nächsten Satz gesucht, bis mir klar wurde, dass es den nicht geben würde. Hinzu kommt, dass immer wieder Unregelmäßigkeiten und unwahrscheinliche Fakten auftauchen, was zwar bei einem Fantasybuch kein Fehler, hier aber schlecht umgesetzt ist. Dass ein bereits um das Jahr 1300 (!!!) herum entstandener Kult, der den altägyptischen Gott Seth und seinen rituellen „Sohn“ verehrt, immer noch am Leben sein soll, gut, das gehört zu den Eigenheiten des Genres, das sei nicht in Frage gestellt. Aber wie sich das Herz eines Erwachsenen (das selbstverständlich nach mehr als 15 Jahrtausenden immer noch schlägt) einem Baby einsetzen lässt, darüber hätte ich doch gerne mehr gehört – und sei es nur die Feststellung, dass die Ärzte hierfür eigens eine komplizierte Operationsmethode erfunden haben oder was auch immer. Aber nichts da. Der Autor stellt es einfach mal in den Raum, soll der Leser sehen, was er daraus macht.

*Erst am Schluss sympathisch*
Leider sind auch die Charaktere nicht besonders einnehmend, Sid und ein Punkmädchen namens Rascal, das er im Laufe der Geschichte kennen lernt und das zu seiner Verbündeten wird, sind zwar durchaus sympathisch, leider erschließt sich das aber eben erst kurz vor Schluss – es bleiben also 300 Seiten, durch die man sich erst einmal lesen muss, um zum Wesen der Protagonisten vorzudringen – das strengt an und ist nicht immer so sonderlich unterhaltsam. Beinahe alle anderen Personen des Buches treten nur als kaum ausgearbeitete Archetypen in Erscheinung, deren Zweck einzig und allein darin liegt, die Geschichte voranzutreiben, nicht zu bereichern. Als hervorstechend in dieser Masse der anonymen Gesichter kann höchstens noch Birger Jacobsen genannt werden, gewissermaßen Agent auf Seiten von Sids und Rascals Gegenspielern und ständig auf der Jagd nach Ersterem, während er gleichzeitig einen verdeckten Krieg gegen die eigene Organisation führt. Leider ist er zwar detaillierter beschrieben, aber genauso wie alle anderen Charaktere aus Klischees zusammengesetzt, die kein schlüssiges Ganzes zu ergeben scheinen.

*Entspannte Urlaubslektüre*
Warum man ein solches Buch überhaupt lesen sollte, könnte man sich jetzt fragen. Meiner Meinung nach kann es trotz aller Schwächen noch eine entspannte Urlaubslektüre abgeben, solange man nicht auf der Suche nach literarischen Höhenflügen, einer toll ausgearbeiteten Fantasywelt oder einem ausgefeilten Plot ist. Die Stärke des Buches liegt vor allem in seinen präzisen, manchmal komischen, manchmal melancholischen Beschreibungen einzelner Augenblicke, vor allem in der „Beziehung“ zwischen Sid und Rascal. Wer sich also bei einem Mystery-Thriller-sonstwas entspannen möchte, im Moment aber für Lesestoff á la Dan Brown zu denkfaul oder einfach nicht in der Stimmung ist, der möge sich getrost an dieses Buch halten. Aber vielleicht wartet ihr auch noch, bis das Taschenbuch herauskommt, und lest in der Zwischenzeit etwas anderes.

Autorin / Autor: pfefferminztea - Stand: 24. Juni 2007