Impulsnähen statt Impulskäufe

Sonja Wöhrenschimmel-Wahl hat an der Kunstuniversität Linz Textilkunst und -design studiert und als Modedesignerin gearbeitet. Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich künstlerisch und journalistisch mit den Themen Ressourcensparen und ökologische und faire Mode. In ihrem Blog www.fraujonason.com schreibt sie über Eco Fashion, nachhaltigen Lebensstil und DIY. Wir haben sie zu ihrem Konzept des ReDesign und einem nachhaltigem Kleidungsstil befragt.

Sonja Wöhrenschimmel-Wahl (Foto: Christina Diwold)

*Was genau verstehen Sie unter ReDesign? Ist das eine Spielart von DIY? Was steckt dahinter?*

Ich habe vor über 20 Jahren begonnen, aus alter Kleidung neue zu machen. Im Kunststudium habe ich diesen Prozess dann eher künstlerisch begonnen. Als ich nach meiner Designtätigkeit wieder zum kreativen Verarbeiten von getragener Kleidung gekommen bin, war mein Designanspruch viel höher. Ich wollte mit meinen Entwürfen zeigen, dass wiederverwertete Kleidung absolut designtauglich sein kann, sogar hochwertig und das Glanzstück der Garderobe. „Re-Design“ ist für mich eine Weiterentwicklung von Upcycling.

*Ist das ein Modetrend?*
Das müssen Sie sagen, ich habe bislang keinen Modetrend darin erkennen können, der über eine kleine Nische hinausreicht. Es gibt Labels, die sich ganz dem Redesign verschreiben, es gibt Bücher, man ist Teil der grünen Modeszene, die stetig wächst- doch tritt man aus der kleinen Szene hinaus und kommt zur Durchschnittsbevölkerung, wird das Neu-Designen von Kleidung eher mit „buntem Upcycling“ und wildem Zusammenfügen von Kleidungsstücken verbunden, das einem gefällt oder nicht. Nische eben. Ich habe mein Buch schon 2011 zu planen begonnen und bin im Nachhinein froh, dass es erst 2016 herausgekommen ist. Denn heute ist die Aufmerksamkeit doch erheblich höher, als es damals gewesen wäre.

*Wieviel Kleidungsstücke, schätzen Sie, wandern in einem durchschnittlichen Frauenleben in Deutschland kaum getragen in die Tonne? Und wieviel könnte durch ReDesign gerettet werden?*
Wenn man bedenkt, dass wir in Deutschland und Österreich im Jahr über 10 Kilo Textilien wegwerfen, dann summiert sich das in einem Menschenleben doch erheblich. Nach meinen Erfahrungen bei der Kleiderschrank-Analyse gibt es doch bei vielen Menschen einen Gutteil an Kleidung, der gar nicht zu ihrer Person passt. 80 Prozent unserer Garderobe tragen wir selten bis nie, nur 20 Prozent regelmäßig.

Wieviel Stücke durch Redesign gerettet werden können, diese Frage ist schwer zu beantworten. Es liegt an den Gründen, warum Stücke Ladenhüter werden:

  • Wenn die Farbe nicht stimmt, der Schnitt aber schon, macht Färben oder das Gestalten mit Farbe Sinn.
  • Bei zu kleinen Stücken oder sperrigen Materialien stellt sich die Frage, ob man sie nicht lieber tauscht oder verschenkt.
  • Hat man einfach zu viele Stücke einer Art, dann ist es besser vorher auszuräumen und nur die Lieblingsstücke zu behalten, plus ein paar „redesign-würdige“ Teile.
  • Passen weder die Form noch der Stoff, gibt man es besser weg.
  • Die idealen Stücke für Redesign sind Stücke, die eine schöne Stoffqualität haben. Und im Idealfall auch in Farben, die zum eigenen Farbtyp passen.

*Was ist Ihr Grundrezept für einen nachhaltigeren Kleidungsstil?*
Mein Lieblingsthema! Ich halte dazu Workshops, weil es tatsächlich ein Rezept dazu gibt. Das Grundproblem der meisten Menschen ist ein überbordender Kleiderschrank, in welchem nichts zueinander passt und man meist verzweifelt davorsteht und „Ich habe nichts anzuziehen!“ seufzt. Folgende Punkte können helfen, hier Ordnung zu schaffen.

  • 1. Die gegenwärtige Lebenssituation analysieren – wie verbringe ich meinen Alltag, welchen Job habe ich, welche Kleidung brauche ich dafür?
  • 2. Welcher Farbtyp bin ich? Diese Frage ist sehr wichtig, weil die Farbe das wichtigste Element der Garderobe ist. Passen die Farben zum Farbtyp, sieht man strahlend und klar aus, die falschen Farben lassen einen müde erscheinen, fahl und älter. Hat man die richtigen Farben ermittelt, lässt sich darauf die neue Garderobe perfekt aufbauen. Hilfreich ist hier eine gute Farbberatung.
  • 3. Welche Formen passen zu meinem Körper? Nicht allen steht dieselbe Kleidung. Mit den richtigen Formen kann man viel aus sich machen.
  • 4. Mein Stil? Mag ich klassische Mode, sportliche oder bin ich doch extravagant? Es macht Sinn, sich auf einige Stile zu konzentrieren.
  • 5. Konzept erstellen: Anhand all der Informationen, die man sammelt, kennt man seinen Bedarf und seine Vorlieben. Darauf baut man seine Garderobe auf- für den Beruf, für den Alltag. Was braucht man an gut kombinierbaren Basisstücken, was an schönen Einzelstücken, Jeans, Shirts, Accessoires, Highlights.
  • 6. Ausräumen! Was bleibt als Lieblingsstück im Schrank, was muss ich weggeben und was kann ein ReDesign-Stück werden?
  • 7. Neu Zusammenstellen: Nun die Teile wieder hineinhängen, die hineingehören. Entstandene Lücken lassen sich mit Secondhandmode oder Eco Fashion nach und nach füllen. Generell Wert auf hochwertige, langlebige und dafür weniger Kleidungsstücke legen. Stücke nur dann kaufen, wenn sie die Garderobe insgesamt beleben. Und sich nicht mehr zu Impulskäufen hinreißen lassen, lieber stattdessen Impulsnähen. :-)

Fertig!

*Wie sind Sie überhaupt darauf gekommen, alte Kleidung zu „redesignen“? Wer oder was hat Sie inspiriert?*
Ich bin in den Siebzigern geboren und am Land aufgewachsen. Das Selbermachen und Wiederverwerten war da noch ganz normal. Ich habe schon als 6jährige mein erstes Projekt gestartet und wollte aus dem neuen Hauskleid meiner Mutter einen hübschen Rock für mich machen. Das endete damals in einer Strafe, sie hat das nicht verstanden ;-).
Weitergemacht habe ich dann mit 18, als ich begann, auf Flohmärkte zu gehen. Da habe ich Kleidung bewusst wegen des Stoffes gekauft, neue Stoffe konnte ich mir nicht leisten. Zum Abitur trug ich einen solchen Rock, wenn ich mich recht erinnere. Mir war damals schon wichtig, etwas zu tragen, was sonst niemand hatte, da war der ökologische Aspekt noch gar kein Thema.

*Was ist Ihr tollstes ReDesign-Stück?*
Das ist schwierig. Es gibt Stücke, die für meine Entwicklung wichtig waren. Mein erstes Kleid aus einer Hose, das war 1999, wo ich erstmals eine Ahnung vom Potenzial von Redesign bekommen habe. Aus meinem Buch fällt mir besonders ein weiß-beiges Kleid aus einer Hose und einem Hemd ein, das ich komplett pur gelassen habe. Und andererseits ein Oberteil, das ich ganz dramatisch mit schwarzer Farbe angestrichen habe.

*Haben Sie einen Tipp? Was lässt sich aus einem alten schwarzen Lieblings-T-Shirt Neues zaubern?*

Ich habe mehrere Tipps:

  • Wenn es bedruckt ist und einfach schon zu klein: eine schöne Beaniemütze oder ein Loopschal
  • Zerschneiden und kombiniert mit anderen Shirt ein neues Oberteil daraus gestalten
  • Eine Einkaufstasche
  • Ein cooles Accessoire- etwa eine Kette

*Vielen Dank für das Interview!*

Das Buch zum Thema: ReDesign

ReDesign Buchcover

Redesign ist ein Nähbuch, ein Upcycling Ratgeber, ein Aufräumberater, ein Modedesigner und Projektbuch in einem. Lies die Rezension auf lizzyNet.

Autorin / Autor: LizzyNet / Sonja Wöhrenschimmel-Wahl; Bilder: Bilder: © Christina Diwold - Stand: 3. Mai 20177