Welt der Werkstoffe - Leidenschaft für Kunststoffe
Wir leben in einer Welt voller Kunststoffe. Grund genug, einmal einen Kunststoffexperten zu besuchen: Prof. Martin Bonnet von der Technischen Hochschule Köln
Welt der Werkstoffe - Leidenschaft für Kunststoffe
Kunststoffgranulat, Copyright Institut für Werkstoffanwendungen
Die Ozeane sind voller Plastikmüll, diese und ähnliche Meldungen liest man beinahe tagtäglich. Wenn man sich mit den Themen Upcycling und nachhaltiger Konsum beschäftigt, kommt man immer wieder mit dem Wertstoff Plastik in Berührung. Herkömmliches Plastik wird meist aus Erdöl hergestellt. Erdöl ist eine natürliche Ressource, die knapp und daher immer teurer wird. Jährlich fallen etwa 6 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle in Deutschland an, davon werden 45 Prozent wiederverwertet und ca. 55 Prozent verbrannt. (Quelle: Umweltbundesamt 2015)
Im Projekt „Besser machen!“ (beispielsweise bei den Multiplikator_innenschulungen) stoßen wir auch immer wieder auf den Wertstoff Plastik. Daher besuchte ich den Kunststoffexperten Prof. Martin Bonnet. Er ist Direktor des Instituts für Werkstoffanwendung an der Technischen Hochschule Köln, und die Forschung zu Kunststoffen ist seine Leidenschaft: „Kunststoffe haben in vielen Bereichen nicht nur altbekannte Werkstoffe ersetzt, sondern auch zu völlig neuen Produkten geführt und Ingenieuren neue Perspektiven zur Umsetzung ihrer Ideen eröffnet.“ So engagiert wie dieses Statement ist auch seine Lehrtätigkeit. Vorlesungen in großen überfüllten Hörsälen sind bei ihm passé. Er setzt auf seinen Youtube Channel „Welt der Werkstoffe“, da können die Student_innen sich den Lehrstoff orts- und zeitunabhängig aneignen. Die Welt der Kunststoffe ist ganz schön kompliziert. Nicht jeder Kunststoff ist mit jedem Kunststoff kombinierbar. Dies macht auch das Recycling von Kunststoffen so schwierig. Entgegen meinem Vorurteil sind nicht alle Kunststoffe giftig, man könnte viele sogar essen, meint Martin Bonnet ;-) Kunststoffe sind ungeheuer flexibel und vielseitig einsetzbar. So wurde am Kölner Institut beispielsweise eine „Spundwand“ aus Kunststoff entwickelt, die Baugruben zuverlässiger absichert als die herkömmlichen Wände aus Stahl, die bei Starkregen sehr schwer wurden und im Erdreich versanken…
Prof. Martin Bonnet und Julia Hartmann
Im Labor für Kunststofftechnik der TH wird eifrig geforscht, wie man die Kunststoffverarbeitung verbessern und natürlich auch umweltfreundlicher gestalten kann. Jeder neue Kunststoff muss beispielsweise recyclebar sein, sonst kommt er gar nicht auf den Markt. Im Labor gibt es viele Maschinen, wo man den neuen Kunststoffwerkstoff auf seine Beständigkeit z.B. bei Hitze und Kälte prüfen kann. Dort traf ich auf Frau Julia Hartmann, die gefördert durch ein Mathilde-von-Mevissen Stipendium derzeit zum Thema „Kunstrasen der Zukunft“ forscht.
Natürlich wird auch zu Biokunststoffen, biologisch abbaubaren Kunststoffen und Biokunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen geforscht, aber das ist auch alles nicht so einfach, wie es manchmal auf den ersten Blick scheint. Biologisch abbaubare Kunststoffe für Verpackungen beispielsweise, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, haben insgesamt laut einer Studie vom Bundesumweltamt aus dem Jahre 2012 keinen ökologischen Vorteil. Durch den Anbau und die Verarbeitung von Pflanzen für diese Verpackungen versauern Böden und eutrophieren Gewässer stärker als durch die Herstellung herkömmlicher Kunststoffverpackungen. Zudem entstehen höhere Feinstaubemissionen.
Professor Bonnet plädiert daher dafür, mehr Kreisläufe zu schaffen! Kunststofffenster beispielsweise haben eine Lebensdauer von über 50 Jahren und werden zu fast 100% recycelt und wieder zur Kunststofffenstern verarbeitet, dieser Prozess kann ca. sieben Mal wiederholt werden, dann ist das Material erschöpft. Dieser Materialkreislauf müsste unbedingt auch für andere Kunststoffprodukte gelten.
Für das Projekt Besser machen! denken wir über ein praktisches Beispiel für eine Schulklasse oder Jugendgruppe nach. Ist es relativ leicht umsetzbar, aus leeren Shampooflaschen beispielsweise Kunststoff-Filament für 3-Drucker herzustellen? Aus dem Filament könnte dann wieder ein sinnvolles neues Bauteil entstehen, um zum Beispiel etwas zu reparieren. Dazu würde aber im Labor noch eine neue Maschine gebraucht, die den gebrauchten Kunststoff zerkleinert… Gebrauchter Kunststoffschredder zu verschenken? Mal sehen wie es weiter geht.
Autorin / Autor: Ulrike Schmidt - Stand: Juni 2017