Josi, ach Josi...
Das Ende eines Streits
Hat mich jemand überhaupt gefragt? Ich meine, habe ich jemals gesagt: Ja, ich möchte am Wochenende zu meiner Oma? Ich weiß nur, dass letzte Mal war es stinklangweilig! Ich sollte den Tisch auf- und abdecken, wegen ihrem Rheuma, wie sie mir ständig vorlabert. Von wegen! Sie schafft es doch immer im Rekordtempo zum Fernseher, um ihre geliebten Nachmittags-Talkshows auf keinen Fall zu verpassen. Aber es half nichts, ich hatte noch einen riesengroßen Zoff mit meinem Vater (ihrem Sohn), ehe ich doch in den Zug steigen musste. Ich blickte nach draußen. Ich könnte doch einfach jetzt schon aussteigen, dachte ich und blickte auf das Werbeplakat für J. Lo’s neuestes Parfüm. Aber nee, meine Oma würde meinem Vater sagen, ich wäre nicht da gewesen. Also fuhr ich doch noch eine Haltestelle weiter und nahm den Bus zum Haus meiner Oma.
„Hallo Schätzchen!“, rief meine Oma überschwänglich und drückte mich fest an ihren üppigen Busen. Oh no! Das hieß also, ich musste für sie bügeln, waschen und so weiter... Sie machte es immer so, erst ganz nett, dann ihr Rheuma, und dann muss ich alles machen! „Hi Omi!“, rief ich, nur halb so fröhlich wie sie. „Hach Schätzchen! Eigentlich hatte ich einen schönen Nachmittag für uns beide geplant, aber die Putzfrau ist krank und mein Rheuma...“, sie hüstelte ein wenig. „Omi!“, sagte ich genervt. „Schätzchen. Mach es mir nicht noch schwieriger als es schon ist, so stark war mein Rheuma nämlich noch nie...“, sie setzte sich und keuchte. Alles nur Schauspiel, dachte ich. „Ich...will...nicht!!“, schrie ich sie an. „Was fällt dir eigentlich ein, mich so anzuschreien? Dein Vater hat...“, begann sie. „Ja, ja, er hat dich nie angeschrieen, war immer brav und ach! Ich habe keinen Bock für dich die Putze zu spielen!“, ich brüllte schon richtig. „Raus!!“, schrie meine Oma. Ich befolgte ihren Befehl. An der Bahn löste ich sofort ein Ticket nach Hause und setze mich in den Zug. Nach etwa 30 Minuten Fahrt, klingelte mein Handy. „Ja?“, hob ich ab. „Sie ist tot“, keuchte meine Mutter. „Oma lebt nicht mehr, sie hatte einen Herzinfarkt. Josi, ach Josi, ich...“
Autorin / Autor: supergirl200089 - Stand: 28. November 2003