Im Dialog mit einem Machthabenden
Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Federkiel 1999
- Niemals hätte ich gedacht, dass ich Sie hier tatsächlich treffe.
- Wer da? Welcher schändliche Verräter hat Sie unerlaubt zu mir vorgelassen?
- Sie sind es wirklich, einer der fünf reichsten Männer dieses Planeten. Ich hingegen gehöre zu den Ärmsten. Lassen Sie uns reden. Jetzt und hier.
- Wie das?
- Warum werden immer weiter Kriege geführt, die Sie entfachen? Trotz ihres Reichtums beabsichtigen Sie nichts Friedfertiges.
- Nun ja.
- Mich deucht, Sie räkeln sich den ganzen Tag in Ihrem Liegestuhl, während Sie Ihre Lakaien befehligen und tosende Krisenherde verwalten.
- Sie übertreiben.
- Keineswegs. Ich erhebe Anklage. Ich möchte Ihre Missetaten in dieser Welt entlarven.
- Ich bin gelangweilt.
Er gähnt.
- Ist die Welt nicht so oder so schnöde, prunkend vor primitiver Belanglosigkeit dem Untergang geweiht?
- Millionen von Familien darben, wofür Sie die Verantwortung tragen.
- Ungeziefer muss weg...So oder so...Ich reinige diese Welt.
Er ächzt und betrachtet die Kriegslandkarte vor sich.
- Ähm... Ich bin gekommen, um Ihnen einen Handel zu unterbreiten.
- Wozu? Ich steuere, rüste, lenke und wappne alles. Ich wurde von Gott dazu auserkoren, die Welt zu beherrschen, Menschen zu verfemen und Abkommen mit Herrschaften abzuschließen, um die perfekte Kontrolle zu erlangen. Ich will, dass alles Unwerte leidet und um Gnade fleht, bis es verstummt und verwelkt, denn ich habe die absolute Macht. Was könntest du mir mehr bieten?
- Die Erkenntnis des Inneren, das unsere Welt ausmacht. Folgen Sie mir!
- Wie überaus sinnlos, diese ohnehin wertlose Welt zu erkunden. Ich verlasse mein Anwesen nie.
- Spielen wir ein Spiel, welches die Langeweile vertreibt. Sollte ich verlieren, verfügen Sie über mich.
- Welch willkommene Abwechslung, ein Menschenopfer! Der Handel gilt. Ich begleite dich. Aber wenn mir deine offenbarte Welt keine Anreize zum Verweilen bieten wird, sei des Todes gewiss.
Der Arme und der Reiche wandern. Gleißende Berggipfel, plätschernde Flüsse und sich in die Lüfte erhebende Wildvögel erfreuen den Blick.
- Ein atemberaubendes, prächtiges Schauspiel, nicht wahr?
- Zu nichts nutze. So habe ich mir das Schlaraffenland der Tunichtgute vorgestellt.
Sie erklimmen den Berggipfel und die Sicht auf ein Industriegebiet wird frei. Aus Schloten von Kraftwerken wabern düstere Schmutzwolken. Winzige, ergraute Menschen placken sich auf verdörrten Feldern ab. Dicke, rußige Luft erschwert das Atmen.
- Das habe ich doch gleich gesagt. Verwahrloste, kaputte Welt, die nach vollständiger Zerstörung schreit.
Sein verächtliches Gelächter wird jäh durch sein Röcheln unterbrochen. Er krümmt sich und schnappt nach Luft. Sein Japsen kündet von seinem bevorstehenden Tod.
- Ich bringe dich zurück ins Leben.
Er schultert den Reichen. Im grünen Tal auf der anderen Bergseite kommt der Reiche zu sich.
- Ja, nun möge das Leben beginnen.
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