Die zweite Jeanne d’Arc

Über die Volksheldin und kolumbianische Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt

Viele von euch haben den Namen bisher sicher noch nicht gehört, was auch kein Wunder ist, denn in der „normalen“ Presse wird ihr Name auch leider kaum erwähnt. Ingrid Betancourt befindet sich seit 23. Februar 2002 in den Händen der FARC-Guerillas in Kolumbien. Geboren wurde sie 1961 in Frankreich. Ihr Vater ist Diplomat und Bildungsminister in Kolumbien, ihre Mutter, einst war sie zur Schönheitskönigin gewählt worden, arbeitet als Abgeordnete und gründet Heime für Straßenkinder in Kolumbien. So pendelt die Familie zwischen Paris und Bogotá (Hauptstadt von Kolumbien). In Paris geht Ingrid aufs Gymnasium und studiert anschließend Politikwissenschaften, heiratet einen französischen Diplomaten und bekommt zwei Kinder. Klingt eigentlich alles nach einer typischen, normalen Familie. 1989 tritt jedoch der Wendepunkt in Ingrids Leben ein. Ihre Mutter organisiert in Kolumbien den Wahlkampf für den liberalen Präsidentschaftskandidaten Luis Carlos Galán und kommt bei einem Attentat auf ihn nur durch Zufall mit dem Leben davon. In Ingrid erwachen ihre kolumbianischen Wurzeln, sie trennt sich von ihrem Mann und zieht mit ihren zwei Kindern nach Kolumbien, wo sie 1996 ins kolumbische Parlament gewählt wird. Zur politischen Situation in Kolumbien muss man noch sagen, dass Entführungen an der Tagesordnung sind, Mord eine alltägliche Form der Abrechnung ist und 94%(!) aller Verbrechen straflos bleiben. Seit fast 40 Jahren wütet der Bürgerkrieg in Südamerikas ältester „Demokratie“. Im Süden befindet sich eine „entmilitarisierte Zone“, die von den FARC-Guerillas (= Bewaffnete Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) besetzt ist. In diesem Land kämpft Ingrid Betancourt gegen die Korruption in Wirtschaft, Politik und Justiz, setzt sich für die Menschenrechte und für die Rechte der Frauen ein. Mit gewagten Aktionen versucht sie ihre Ziele zu erreichen, so verteilt sie beispielsweise Kondome „zum Schutz gegen die Krankheit der Korruption“, tritt im Flur des Kongresses in Hungerstreik, oder gibt Gasmasken gegen den "Gestank der Korruption" aus.

*Todesdrohungen*
1996 erhält sie dann die ersten Todesdrohungen. In ihrem Briefkasten liegt das Bild einer zerstückelten Kinderleiche. Dies veranlasst sie dazu, ihre Kinder zu ihrem Exmann nach Neuseeland zu bringen. Fortan arbeiten 30 Sicherheitsbeamte im Schichtdienst, um sie vor Anschlägen zu schützen. 1997 tritt sie aus der liberalen Partei aus, nachdem auch da Korruption aufgedeckt wurde und gründet ihre eigene Partei „oxigeno verde“ (=grüner Sauerstoff). Sie wird 1998 zur Senatorin gewählt und lässt sich zu den Präsidentschaftswahlen am 26. Mai 2002 aufstellen. Da ihr die Stimmen der armen Bevölkerung sicher sind, hätte sie gute Chancen gehabt, zu gewinnen. Am 23. Februar 2002 fährt sie dann in die entmilitarisierte Zone, um Friedensverhandlungen mit den FARC-Guerillas aufzunehmen und um an einer Kundgebung von Menschenrechten teilzunehmen. Dabei wird sie von den Guerillas entführt. Außer ihr haben die Guerillas noch etwa 800 Zivilisten, Offiziere und Politiker in ihrer Gewalt. Im Juli 2002 taucht ein erstes Videoband mit den Forderungen der Geiselnehmer auf. Sie wollen die Freilassung von inhaftierten FARC-Mitgliedern erpressen. Im Juni 2003 scheitert eine von Frankreich organisierte Rückholaktion. Das letzte Lebenszeichen ist ein im August 2003 aufgenommenes Videoband, auf dem sie sich gegen das Austauschen von Geiseln gegen Inhaftierte ausspricht. In Frankreich wird Ingrid Betancourt als Volksheldin gefeiert und als zweite Jeanne d’Arc verehrt. Die USA ignorieren die Entführung, die kolumbianische Regierung selbst kümmert sich nicht darum, da Betancourt ja Feindin ihrer Politik war, in Deutschland gibt es nur wenig Resonanz, z.B. von Grünen Abgeordneten wie Claudia Roth. Ihre baldige Freilassung ist bei dieser Resonanz nicht sehr wahrscheinlich, zumal vermutet wird, dass die FARC die politischen Geiseln zuletzt freilassen wird.

Anmerkung der Redaktion  www.betancourt4free.de

Nicht nur Claudia Roth hat sich mit der Freilassung von Betancourt beschäftigt. Joschka Fischer hat sich z.B. nach Auskunft der Grünen und des Außenministeriums sofort an seinen kolumbianischen Amtskollegen gewandt, weiterhin waren viele hochrangige Mitglieder (Bütikofer, Ströbele..) der Grünen auf einer Veranstaltung zugegen, in der Ingrid Betancourt in Abwesenheit der "Petra-Kelly-Preis" der Heinrich-Böll-Stiftung, zuerkannt wurde (Dez. 2002). Hier versicherte z.B. Kerstin Müller die Unterstützung der Bundesregierung (laut Betancourts Ehemann). Weiterhin gibt es weltweit Unterstützer, die für Ingrid Betancourts Freilassung eintreten, so haben inzwischen weltweit über 1000 Gemeinden (darunter Paris u. Brüssel) Betancourt als Ehrenbürgerin ernannt, oder eine Solidaritätserklärung abgegeben.

Weitere Infos über Ingrid Betancourt, die FARC, sowie aktuelle Meldungen gibt es unter:

Autorin / Autor: gitana - Stand: 20. Januar 2004