Augenblicke

Uncoole Momente mit einer doch ganz coolen Oma!

Einkaufswagen-Eindrücke

Wie ich sie hasse! Diese verfluchten Einkaufswagen. Aber Oma besteht darauf, dass „das Kind“, wenn es sie zum Einkaufen begleiten muss, so ein Monstergerät vor sich herschiebt. Entweder bekommt man sie erst gar nicht mit einem Euro los, weil irgendwelche Hirnis was manipuliert haben; wenn man sie dann los hat, rollen sie entweder überhaupt nicht, haben einen enormen Links- oder Rechtsdrall, oder man aus der Schlagsahne wird innerhalb kürzester Zeit geschlagene Sahne, da der flotte Flitzer ein absolut unförmiges Rad hat und dementsprechend rumeiert. Wenn man Glück hat, bekommt man manchmal sogar noch die eingeworfene Münze zurück, wenn auch oft nicht ohne „gewalttätige Fremdeinwirkung“. Stundenlang irre ich also mit Oma durch das Einkaufscenter, denn natürlich muss man zuerst sämtliche Inhaltsstoffe der unterschiedlichen Katzenfutterhersteller vergleichen, bis man letztendlich doch wieder auf das gute, alte Kitekat zurückgreift, schließlich frisst der fette Kater Felix, doch nichts anderes als seine „Zarten Rindshäppchen mit Erbsen und Karotten“. Bin ich bei den Zeitschriften, schreit es prompt vom Kühlregal: “Bienchen! Ach Bienchen, komm doch mal! Ich hab doch meine Brille nicht dabei und seh doch nicht, welches der richtige Käse ist.“ Ignorieren bringt absolut nichts, im Gegenteil, alles wird dadurch noch schlimmer: Das geht dann nämlich meistens so weit, dass Oma zu den Zeitschriften schlurft und mir schließlich ins Ohr brüllt: “Bienchen, mein Mädchen, ich habe dich gerufen. Hast du mich denn nicht gehört? Ich war beim Käse!“ Spätestens dann ist die gesamte Kundschaft, mit Ausnahme Omas Freundinnen, die auch immer ihre Hörgeräte zuhause lassen, versammelt. Sämtliche Kassiererinnen, sensationsgeile Hausfrauen mit ihren plärrenden Schreihälsen, sowie der Geschäftsführer persönlich wollen sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen. Die Reaktionen reichen von vorwurfsvollen Blicken, wie man diese hilflose, alte Dame derart im Stich lassen könne, bis zu hochpsychologischen Diskussionen über das rücksichtslose Verhalten pubertärer Teenager. Meistens nehme ich spätestens bei solchen Debatten den Grund dieses peinlichen Augenblickes an die Hand und zerre ihn (den Grund) samt Einkaufswagen mit einem süß-säuerlichen Lächeln zur Käsetheke. Oma scheint die gaffende Menge vollkommen zu ignorieren. Als sie einmal bei einer solchen „Bienchen-Käsetheke-Zeitschriften-Aktion“ ihren spendablen Tag hatte, meinte sie, ich könnt mir das Heftchen, das ich in der Hand hatte ruhig mitnehmen, „Oma zahlt dann auch!“. Das Ganze endete damit, dass sie an der Kasse das große Gezeter um die „halbnackete Weiber“ in der „Pornozeitschrift“ begann. „Ja Bienchen, ich bin ja entsetzt! Die haben ja alle fast gar nichts an! Dass mein Bienchen solche Schweinereien kaufen will!“, natürlich in Megaphonlautstärke, dass auch ja der gesamte Laden Bescheid weiß und die Wurstthekenfrau auch informiert ist. Jetzt versucht mal einer 85-jährigen den Unterschied zwischen dem Maxi-summer-special „50 Bikinis für Flirtlaune“ und einer Pornozeitschrift klarzumachen. Manchmal überlege ich mir, ob ich nicht nur noch mit Perücke und Sonnenbrille aus dem Haus gehen soll. Man kann sich sicher denken, weshalb ich diese Einkaufstour am liebsten Samstag morgens um 8 Uhr über die Bühne laufen lasse. Schließlich steht um diese Zeit kein normaler Mensch unter 20 auf und verbringt seine sparsame Zeit im Einkaufscenter. Es würde mir gerade noch fehlen, bei megapeinlichen „Bienchen-Aktionen“ den lässigen Blicken supercooler „Skaterboys“ ausgesetzt zu sein oder in die zentnerdick mit Make-up beschmierten Gesichter superzickiger Miss-Sixty-Modepuppen blicken zu müssen. Zwar bin ich dank Hausfrauenpropaganda im Gebiet um das Einkaufscenter herum bekannt wie der Papst im Vatikan, doch wenigstens hielten sich bis bisher die Gerüchte unter meinen Altersgenossen und –genossinnen über meinen Samstagsmorgenshopping in Grenzen.

Unvergleichbarer Vanillepudding

Jeder vernünftige Mensch fragt sich spätestens jetzt, warum ich mir das ganze Gezeter überhaupt antue, doch man muss wissen, Oma hat auch ihre fürsorglichen Seiten. Es gibt Augenblicke, da würde ich sogar meinen Computer und mein Fahrrad für meine Oma verkaufen. Wenn man mit Kopfweh im Bett liegt und Oma kommt mit dampfendem Vanillepudding zur Tür herein, dann kann man sämtlichen Puddingherstellern der Welt, die behaupten ihr Pudding „schmeckt wie Muddis Pudding“ nur empfehlen, mal den Pudding meiner Oma zu probieren. Wer hätte sonst die Geduld gehabt in der 4. Klasse am Abend vor dem letzten Abgabetermin, mein absolutes Geknote aufzumachen und einen neuen Topflappen daraus zu häkeln. Nirgends gibt es bessere Erdbeeren als bei ihr im Garten. Kein Mensch kann unschuldiger schauen, als Oma, wenn sie mir sagt, dass sie ganz aus versehen die Taste rechts mit dem großen gebogenen Pfeil gedrückt hat, als mein Computer irgendwas mit „sind Sie sicher, ob Sie wirklich alle Dateien löschen wollen“ gefragt hat. Und wenn ihre roten Wangen beim Apfelkuchenbacken nur so leuchten, dann muss man sie einfach liebhaben. Samstagmorgens an diese Lichtblicke zu denken, fällt allerdings nicht immer leicht.

Autorin / Autor: gitana - Stand: 28. November 2003