Von zu Hause ausziehen?!
So eine richtig schöne große Wohnung, bei der ich mir selbst überlege, wie ich sie einrichte...
Wer hat nicht schon mal mit dem Gedanken gespielt, von zu Hause auszuziehen? Eine eigene Wohnung? So eine richtig schöne große, bei der ich mir selbst überlege, wie ich sie einrichte? Wo ich machen kann, was ich will?
Der Traum
Ist doch klasse. Keiner schreibt mir irgend etwas vor, keiner sagt, was ich tun oder lassen soll - ab jetzt bestimme ich selber, wann ich aufräume und wann nicht. Am besten wäre natürlich eine richtig schöne große Wohnung mit vielen Zimmern, guter Aussicht und toller Umgebung, mit wenig Treppen steigen, nette Nachbarn und und und...
Auch die LizzyNet-Umfrage zum Thema hat ganz klar gezeigt, dass über die Hälfte der Mädchen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, gerne ausziehen würden. Egal, ob sie lieber alleine oder mit mehreren zusammen wohnen wollen. Andere hingegen haben Zweifel – traue ich mir das überhaupt zu, ganz alleine zu wohnen – kann ich das denn?
Die Wirklichkeit
ABER...wer soll das bezahlen? Gute Frage..... Eine Wohnung bekommt frau schließlich nicht umsonst und es gibt sicher eine Menge Dinge, die beachtet werden müssen. Ab wann darf ich denn überhaupt einfach ausziehen – müssen meine Eltern einverstanden sein? Was, wenn die Eltern nicht einverstanden sind – kann ich irgendwo finanzielle Unterstützung bekommen – wie und womit kann ich mein eigenes Geld verdienen – darf ich schon arbeiten gehen? Fragen über Fragen.....
Kiri2665 und ich haben für Euch die Sozialarbeiterin Conny Ollig befragt, die u.a. neun Jahre lang in einem Jugendwohnheim Jugendliche, die aus bestimmten Gründen von zu Hause ausgezogen sind, betreut hat. Sie konnte uns einiges zu diesem Thema erzählen (an dieser Stelle noch einmal ganz herzlichen Dank :-)). Also – einfach von zu Hause ausziehen - ohne, dass die Eltern einverstanden sind, geht im Normalfall wirklich nur, wenn du über 18 Jahre alt und dem Gesetz nach „erwachsen“ bist. Ab da kannst du dann für dich selbst bestimmen, bist aber auch für alles selbst verantwortlich und kannst strafbar gemacht werden. Voraussetzung ist natürlich auch dann, dass du die finanziellen Mittel für eine eigene Wohnung und alles was dazugehört hast. Viel einfacher ist es natürlich, wenn deine Eltern damit einverstanden sind und dich dabei (finanziell) unterstützen. Dann kannst du sogar schon ab 15 Jahren alleine wohnen.
Probleme zu Hause?
Schwieriger wird das Ganze, wenn deine Eltern nicht einverstanden sind. Wenn du unbedingt ausziehen möchtest, weil du es zu Hause vielleicht nicht mehr aushältst und dich mit deinen Eltern nur noch streitest oder irgend etwas anderes nicht stimmt. In einem solchem Fall musst du dich dann an das Jugendamt deiner Stadt wenden. Die prüfen dann sehr genau, wie die Umstände bei dir zu Hause sind. Sie führen Gespräche mit Eltern und Kindern und versuchen, die Familie wieder zusammenzuführen. Doch wenn auch das nichts bringt und die Familie so keine Zukunft hat, wird nach anderen Lösungen gesucht. Eine (und auch so ziemlich die letzte) ist, dass die betroffenen Jugendlichen dann erst mal in ein Jugendwohnheim kommen. Dort wohnen sie mit ca. zehn anderen Jugendlichen zusammen. Und lernen selbstständig zu sein, sich selbst zu versorgen und den Haushalt zu schmeißen. Nach ein oder zwei Jahren ziehen sie aus dem Heim aus. Je nachdem, wie selbstständig sie dann schon sind, zu zweit, zu dritt oder auch alleine in eine eigene richtige Wohnung. Solche Jugendliche bekommen dann einen bestimmten Geldbetrag vom Jugendamt, von dem alles bezahlt werden muss. Sie werden aber auch die ganze Zeit über von einem Betreuer/ einer Betreuerin begleitet, mit dem/der sie sich dann ein paar mal die Woche treffen und alles nötige besprechen und bei dem/der man sich auch Hilfe holen kann.
Das liebe Geld
Wo bekomme ich das Geld her? Wohnungen sind schließlich nicht gerade billig. Und zu der Miete kommen noch Strom- und Heizungs- und Nebenkosten (z.B. Wasser, Müllabfuhr, Schornsteinfeger usw.). Und auch Telefonrechnung, evtl. Rundfunk- und Fernsehgebühren usw. wollen bezahlt werden. Außerdem muss eine Wohnung eingerichtet werden, und da stellt sich schon bald heraus, dass die meisten Träume wohl erstmal nicht wahr werden! Da ist realistisches Denken gefragt – eine kleine Wohnung und kein Luxus!! Selber anpacken - wer handwerklich einigermaßen begabt ist, sollte das nutzen – es könnte schon von Vorteil sein, wenn man sich Schränke selber bauen kann ;-)
Eigene Wohnung = Arbeit
Aber was man natürlich auch nicht unterschätzen sollte, wenn man alleine wohnt: Du bist ganz alleine für alles verantwortlich – für Dinge, die für einige zu Hause vielleicht ganz selbstverständlich sind. Du musst selber gucken, dass sich deine Wohnung nicht schon in den ersten zwei Wochen komplett zu einer Müllkippe entwickelt. Du musst für deine Klamotten sorgen – waschen, bügeln. Du musst dir selbst etwas zu Essen machen, einkaufen....
Außerdem musst du dich beim zuständigen Bezirksamt „ummelden“ und Strom, Telefon usw. beantragen. Die folgenden Rechnungen wollen natürlich auch bezahlt werden und dafür muss vorher ein Konto eröffnet werden.
Arbeiten gehen - Geld verdienen
Arbeiten – was kann ich denn arbeiten – was darf ich denn überhaupt machen? Tja... die kleinen Taschengeldaufbesserungsjobs tragen wohl nicht wirklich dazu bei, eine Wohnung zu finanzieren.
Wenn du unter 14 bist, darfst du gar nicht arbeiten, ab 15 darfst du dann unter den strengen Regeln des Jugendarbeitsschutzgesetztes einige Arbeiten machen, aber richtig arbeiten darfst du generell erst ab 18. Also: sich unter 18 Jahren selbst zu finanzieren, ist fast unmöglich.
Die WG
Wohngemeinschaften sind vor allem für junge Leute praktisch, die sich z.B. noch nicht zutrauen, ganz alleine zu wohnen. Denn alleine zu sein, muss gelernt sein. Und auch weiterhin soziale Kontakte zu pflegen und evtl. neue zu knüpfen, ist, vor allem, wenn man allein wohnt, ziemlich wichtig. Aber viele Dinge machen zu mehreren ja auch einfach mehr Spaß - das spricht für WGs. Außerdem teilt man sich alle Arbeiten, die anfallen, so dass zwar jede/r mit anpacken muss, aber im Endeffekt doch weniger macht, als in einer eigenen Wohnung allein. Ein Nachteil ist natürlich, dass man sich auch in einer WG (vielleicht ähnlich wie bei den Eltern) mit den anderen MitbewohnerInnen auf gewissen Dinge einigen und einige Absprachen einhalten muss. Deshalb ist es dann natürlich vorteilhaft, wenn man sich mit den Leuten, mit denen man zusammen wohnt/ wohnen möchte, einigermaßen gut versteht ;-)
Autorin / Autor: Linus - Stand: 20. Mai 2001