Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von A. Landwehr, 24 Jahre
Wer bekommt nicht Herzklopfen bei der Vorstellung, wie wir zwischen Bergen von Plastik und Abfall leben? Nie wieder müssten wir bis nach Österreich fahren, um Berge zu sehen, nie wieder in Urlaub in den Harz fahren und die lästigen Nachbarn, die doch so neugierig über den Zaun blicken, wären auch endlich abgeschirmt. Man hätte seine Ruhe – und würde sich der Müll bis über die Straßen ziehen, wäre auch endlich der sowieso viel zu laute Autolärm gedämmt. Keine Bienen mehr, vor denen man Angst haben müsste, keine Schmerzen mehr bei ihrem Stich, und an unserem Himmel bildeten sich Schwärme von Fliegen, die in dem Abfall doch immer was finden. Und was stört einen daran? Immerhin hätte man so günstig einen beweglichen Sonnenschutz – und schon wäre das Problem der unerträglichen Hitze gelöst. Auch die Geschäftsleute würden jubeln – wenn die Bäume verdorren, gibt es keinen Grund mehr, sie zu schützen und es ließe sich auch endlich auf bisher verbotenen Flächen bauen. Betonwände zieren unsere Himmel. Endlich kein Laub mehr, um das man sich immer kümmern muss. Und selbst für unsere Kinder hält ein solches Leben so viele Vorteile bereit! Sie müssten sich nicht mehr stundenlang damit quälen, Tierarten zu benennen – denn wozu braucht man diese noch, wenn sie eh ausgestorben sind? Auch die doch so schwierig zu verstehende Bestäubung von Blüten ist überflüssig und sollte man doch noch mal irgendwo einen „Vogel“ erblicken, so reicht diese Klassifizierung doch aus, da sie höchst unwahrscheinlich noch einmal einen anderer Art sehen werden. Sogar die Ernährung wäre wesentlich einfacher – kein süßer Honig mehr – wir essen doch sowieso viel zu viel Zucker!
Die Politiker würden uns nicht mehr dauernd damit auf die Nerven gehen, was wir alles besser tun sollten – zumindest nicht im Bereich des Umweltschutzes – denn wer braucht den noch, wenn „Umwelt“ eigentlich nur noch Müll ist? Vielleicht müssten wir uns auch nicht mehr mit so vielen verschiedenen Parteien herumschlagen – ich meine, würde es „Die Grünen“ noch geben, wenn die Farbe Grün nicht mehr existiert? Und wofür sollten sie sich noch einsetzen? Vielleicht hießen sie dann „Die Grauen“ und betrauerten, dass ohne lebendige Pflanzen nie wieder solche nachgezüchtet werden können.
Und wer liebt es nicht, am Strand etwas zu finden? Vielleicht finden wir dann Bonbonpapiere vom letzten Jahr oder auch mal Reste einer Plastikgabel oder so viel anderes, interessantes Zeug, das uns darüber Aufschluss gibt, was eigentlich im Meer so lebt. Meerestier: Plastik. Alle Grundschüler hätten die Note 1 im Sachunterricht.
Was will man mehr? Dieses Leben bietet doch so viele Chancen!
Doch so „schön“ diese Schilderungen auch klingen, so bedenklich sind sie auch. Wollen wir wirklich, dass unsere Kinder nicht mehr wissen, was Pflanzen sind? Wollen wir wirklich, dass sie „Natur“ und „Umwelt“ mit der Farbe grau benennen? Möchten wir wirklich zusehen, wie unsere Natur – Tiere und Pflanzen – stirbt?
Wir sind so bequem geworden, dass wir nicht mehr über die Konsequenzen nachdenken wollen. Denn wie lassen sich die Tage in New York auch genießen, wenn man darüber nachdenkt, zu wie viel CO2-Ausstoß man doch allein durch die Flüge beiträgt? Und wie lässt sich das Essen im Fast-Food-Restaurant noch genießen, wenn man anschließend die Berge an Verpackung vor sich sieht, die man hinterlässt? Und die der Menschen um einen herum? Wir geben unseren Müll lieber weg – und damit unser Gewissen. Wir kaufen Produkte, die allzu leicht in der Mikrowelle aufzuwärmen sind – ohne sie vorher umpacken zu müssen, denn das bedeutete ja Arbeit. Wir kaufen uns Tonnen an Dekoration und Produkten, die wir eh nicht brauchen und dann doch wieder wegwerfen.
Nur: Was könnte man dagegen tun?
Wir könnten lernen, Verantwortung zu übernehmen. Wir könnten lernen, die unweigerlichen Konsequenzen als wahr zu akzeptieren. Als bevorstehend.
Wollen wir wirklich einfach nur immer weiter zusehen, wie wir selbst die Welt zerstören? Weil es so unfassbar, so weit weg von jeder Vorstellung – von unserer Vorstellung ist, dass wir, wir kleine Menschen, diese riesige Welt tatsächlich zugrunde richten können?
Dabei kann jeder von uns zu einer lebenswerten Welt beitragen.
Wir können aufhören, kurze Strecken mit dem Auto zu fahren.
Wir können anfangen, auf ökologische Verpackungen zu achten.
Wir könnten wieder lernen, bewusst zu leben. Was brauche ich wirklich?
Wir können sogar Bäume pflanzen. Oder zumindest Stauden.
Wir könnten Patenschaften für unsere Schulklassen einführen. Jede Schule wäre verpflichtet, ein eigenes Wald- und Wiesenfeld zu betreuen. Wir könnten anfangen, schon im Kindesalter eine respektvolle Haltung gegenüber unserer Welt zu entwickeln und die über die Schulzeit begleiten. Wer soll die Natur auch als wichtig erleben, wenn so viel mehr Wert darauf gelegt wird, chemische Formeln auswendig zu lernen?
Wir könnten einmal pro Woche ein Fahrverbot verhängen. Jeden Sonntag als „Ruhetag“ geltend machen, an dem nur auf Pferde, Bus und Bahn zurückgegriffen werden darf.
Wir könnten dafür eintreten, Bus- und Bahnbetrieb zu verstaatlichen und mit Preisen locken, die das Auto überflüssig machen. Man würde freiwillig fahren – weil es sich lohnt.
Wir könnten auch mal weiter blicken – weg von den Fahrzeugen, auf die Schiffe. Wieso hat dort bisher niemand (nachhaltig) versucht, Elektroenergie zu investieren? Schiffe bieten so viel Fläche und auf der offenen See erhalten sie Sonne. Allein die fünfzehn größten Seeschiffe sind für mehr schädliches Schwefeloxid verantwortlich als alle Autos der Welt!!! Ganz zu schweigen von den übrigen.
Und wenn nun keine Sonne da ist? Na dann bauen wir halt noch ein paar Rotorblätter dran! Früher hatten die Schiffe riesige Masten, heute dann eben Windmühlen.
Wir könnten aufhören, immer nur zu reden – und endlich mal handeln.
Wir könnten uns engagieren, wir könnten kämpfen. Uns Gehör verschaffen. Dafür einstehen.
Könnten wir. Wenn es nur nicht so furchtbar unbequem wäre.
Autorin / Autor: A. Landwehr, 24 Jahre