Gewissermaßen hatten diese ganzen Dystopie-Romane aus der Vergangenheit Recht gehabt. Die Welt war sehr öde heutzutage, die Umwelt wirkte irgendwie tot, die Hitze war unerträglich. Ich saß im Auto auf dem Weg zu der Kuppel. Links und rechts zischten braune Landschaften an mir vorbei. Überall hatte es hier einst gebrannt. Warum hier dann nichts mehr wuchs? Das war recht einfach zu erklären. Als vor vielen Jahren der Regen aussetzte und die Welt von einer grausamen Dürre geplagt wurde, versuchte man die Brände letzten Endes mit Meerwasser zu löschen. Sand hatte es zu der Zeit kaum gegeben – der Boden war zu festem Grund zusammengepresst, Abfall und Ruinen bedeckten die Wüsten. Somit hatte man die Welt gelöscht. Jahre langes Kämpfen gegen das Feuer hatte die Erde mit einer dreckigen Salzkruste bedeckt. Nirgends wuchs noch ein Grashalm, geschweige denn ein ganzer Wald. Das Salz hatte den Boden zerstört und unfruchtbar gemacht.
Manche Menschen hatten eine solche Katastrophe befürchtet und insgesamt wurden vier Areale auf der Welt vor dem Feuer und Salz gerettet. Wissenschaftler hatten enorme Kuppeln gebaut. Damit meine ich keineswegs überdurchschnittlich große Wintergärten oder Gewächshäuser, nein. Wissenschaftler entwickelten mit Glas kompatible Membranen, die sich so weit in den Himmel erstreckten, dass sie mit bloßem Auge kaum sichtbar waren. Sie sorgten für das richtige Klima, um die damaligen Pflanzen zu schützen. Unter den Kuppeln regnete es, stürmte es und einzigartige Tiere fanden dort ihr zu Hause. Berichte aus der alten Welt beschrieben, dass die Welt wohl einmal komplett so ausgesehen hatte. Für jeden Menschen zugänglich.
Doch das war nun lange her und der größte Unterschied war wohl, dass zu diesen Kuppeln nur noch renommierte Wissenschaftler Zutritt hatten.
Das Auto wurde langsamer und ich packte meine Notizen in meine Umhängetasche.
Ich war einer der wenigen Menschen, die dieses Grün jemals zu Gesicht bekommen würden. Dr. Morya Klippe, Botanikerin, zusammen mit meinem Kollegen Dr. Mark Heinz, Zoologe. Das Tor wurde geöffnet, wir zogen unsere Schutzanzüge an und wurden desinfiziert. Drei Schleusen später standen wir auch schon mitten in der Idylle. Vorsichtig nahm ich die Atemschutzmaske von meinem Gesicht und ließ die Luft durch meine Lungen fließen. Nie fühlte ich mich so gesund und frei wie an diesem Ort. Summen und Zwitschern drang durch das Geäst, Geräusche die außer uns keiner mehr kannte. Die Luftfeuchtigkeit, die sonst von unseren Masken generiert wurde, war hier um vieles höher und reinigte meine Sinne. Nirgends sonst gab es solch bunte Orte. Viele Bäume standen in voller Blütenpracht, als würden sie um meine Gunst eifern. Allerdings sah ich auch ein, dass das wahrscheinlich ein sehr egoistischer Ansatz war. Viel eher strahlte dieser Ort vor Freiheit und Frieden. Die Pflanzen prahlten mit ihrer Schönheit, weil sie es als einzige Lebewesen verdienten. Wie gut, dass sie nicht wussten, wie es hinter dem Glas aussah. Es wollte mir das Herz zerbrechen, wenn ich an die mit Staub und Radioaktivität verkeimte Welt dort draußen dachte; das Wasser nicht rein und frisch, sondern jeder Teich, alle Meere umgekippt und stinkend - wie zäher Schleim Müll unserer Ahnen und Kadaver ans Land spülend.
Seufzend verließen wir diesen Teil der Kuppel und betraten den Raum, für den wir heute hergekommen waren. Mark studierte ewig hustend Insekten aller Art. In seiner Jugend hatte Mark den Evolutionären angehört. Zwei Jahre lang hatte er keine Atemmaske getragen und zusammen mit dem größten Glauben des Jahrtausends gehofft, dass der Mensch sich so entwickeln würde, dass er in dieser Umwelt überleben könnte. Die gesundheitlichen Schäden waren enorm gewesen. Jeden Tag aufs neue war ich dankbar für mein Gehalt, das es mir erlaubte lebensrettende Masken zu tragen.
Ich studierte hauptsächlich Algen und Pilze. Stunden lang arbeiteten wir unter einer dünneren Kuppel, wo die Bedingungen ähnlich denen der Außenwelt waren und trotzdem Leben ermöglichten.
„Hast du schon einen Erfolg?“, fragte ich Mark zur Mittagspause. Doch er schüttelte nur den Kopf.
„Ich bin wirklich neidisch, dass du mit den Außerirdischen arbeiten darfst“, jammerte er mal wieder.
„Ich weiß nicht wie oft ich es dir noch sagen soll: Pilze sind keine Außerirdischen!“, lachte ich und kickte ihm meinen Ellenbogen scherzhaft in die Seite, was ihn wieder übel husten ließ.
„Es sind weder ganz Tiere noch Pflanzen! Sie leisten so vieles, es müssen Aliens sein!“, scherzte er und wir machten uns wieder an die Arbeit. Das war ein weiterer Glaube unserer Zeit. Die unerklärliche Existenz von Pilzen ließ viele glauben, dass es sich dabei um Aliens handelte. Vor allem sorgte das jedoch für hoffnungsvolle Gutenachtgeschichten. Ich untersuchte die nächste Petrischale und aus Fassungslosigkeit hätte ich sie fast fallen gelassen.
„Mark!“, rief ich ihn, trotz der grünen Luft kaum genug um zu sprechen.
„Sieh nur!“ Ich deutete auf meinem Fund. Vor mir hatte ein neu gefundener Pilz innerhalb von fünf Jahren nun deutliche Spuren an einem Stück Plastik hinterlassen.
„Mark, ich bin mir ganz sicher! Dieser Pilz kann Plastik zersetzen!“ Ich konnte kaum noch meine Euphorie zurück halten. Tränen der Freude rannen an meinen Wangen herunter.
„Das bedeutet -“, begann Mark als er über meine Schulter schaute.
„Wir könnten das Meer reinigen, Mark. Wir könnten die alten Erdplatten retten. Wenn das Meer wieder zu Wasser wird, dann haben wir den ersten großen Schritt in Richtung Erlösung geschafft!“
Wir fielen uns in die Arme und schauten den kleinen Organismus an.
„Wenn wir nun noch Insekten finden, die den Boden heilen, dann ist die Welt gerettet, Morya! Endlich ist wieder Hoffnung in Sicht.“
„Die Farbe der Hoffnung ist nicht umsonst grün. Heute bricht ein neuer Morgen an.“
Von diesem Moment an, spürte ich, wie die Pracht der Pflanzen auf mich über ging und ich die Freiheit der Möglichkeiten fühlte.