„Eine Zeitmaschine? Ernsthaft?“ John stolpert hinter mir her über die staubigen Straßen. Ich mache nicht langsamer. Zu groß ist die Euphorie, die mit der Nachricht von Onkel Ben in mir aufgeflammt ist. „Du weißt aber schon“, keucht John, als ich beginne, einen Schuttberg zu erklimmen, „dass Zeitmaschinen etwas sind, von dem die Leute vor achthundert Jahren geträumt haben?“ Ich sprinte hinter ein paar großen Trümmern um die Ecke. Der Luftfilter meines Strahlenschutzanzuges versagt mal wieder, ich spüre die Staubpartikel in meiner Lunge, kann aber jetzt nicht anhalten. Nicht mehr weit bis zu Bens Wohnzimmer. John keucht hinterher. „Liz! Du weißt doch, wie es ist! Vielleicht konnten sich die Leute damals solche Träume leisten. Aber wir können es nicht! Wir müssen unser Überleben sichern, das weißt du doch!“ Ich werde langsamer, natürlich hat er Recht. Ich habe heute erst zwei Ratten erlegt. Viel zu wenig. Trotzdem renne ich wieder los, sobald John mich eingeholt hat, denn die Hoffnung ist zu stark: die Hoffnung auf Verbesserung. Und sei sie noch so klein.
Ich komme als Erste bei Ben an, schlüpfe durch das Loch in der Erde und lande direkt neben meinem Onkel. Durch den Staub, der auch hier im Zimmer hängt, kann ich eine aus altem Metall gebaute Apparatur erkennen: Bens Zeitmaschine. Nur mit größter Selbstbeherrschung halte ich mich davon ab, sofort auf sie zuzustürzen, um in eine Zeit zu reisen, in der es noch nicht zu spät für Rettung ist. Stattdessen warte ich. Zumindest das hat John verdient.
Nach kurzer Zeit lässt mein Freund sich ebenfalls durch die Decke fallen. „So“, keucht er. „könnt ihr mir jetzt bitte sagen, ob die Strahlung euer Hirn angegriffen hat?“ „Hat sie nicht“, versichere ich ihm. John schnaubt, dann fällt sein Blick auf das Gerät vor ihm. „Ach so, und das soll eure Zeitmaschine sein?“ Ben sieht ihn ruhig an. „Genau. Ich habe sie aus einigen Metallresten bauen können, und glaube mir, soweit ich das beurteilen kann, muss sie funktionieren.“ Für einen Moment schaut John überrascht. Er weiß genau, dass Ben Talent in solchen Sachen hat.
Wir schweigen, während John darüber nachgrübelt, ob diese Behauptung wahr sein kann. Ich dagegen habe schon längst beschlossen, es zu glauben. „Was ist der Plan?“, frage ich. Ben lächelt. „Ganz einfach: Ihr zwei reist zurück in eine Zeit, in der die Zerstörung noch aufzuhalten ist. 2020, zum Beispiel. Dort ist noch kaum Strahlung vorhanden. Ihr müsst die Leute dieser Zeit in ihrem Kampf gegen die Zerstörung unterstützen. Ich weiß, sie tun vermutlich schon alles Mögliche, aber ich habe eine Idee gehabt, die zumindest noch etwas beitragen könnte: Sagt ihnen, sie sollen anfangen, unter der Erde zu wohnen.“ Von Johns Seite kommt ein fragender Laut. Sofort bemüht sich Ben um eine Erklärung. „Die Zerstörung ist, glaube ich, dadurch ausgelöst worden, dass immer mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt ist. Dagegen helfen schlicht Pflanzen, die CO2 ja bekanntlich in O2 umwandeln. Die Menschen müssen ihnen nur genug Platz machen – indem sie unterirdisch bauen.“ Ich bin begeistert. Sogar John sieht fast überzeugt aus. „Könnte klappen“, meint er, und Ben strahlt. „Du bist dir sicher, dass die Menschen das früher noch nicht gemacht haben?“, hake ich zur Sicherheit nach. „Absolut“, nickt Ben. „Sonst gäbe es heute nicht so viel Schutt auf der Erde.“ Stimmt. Vor Freude wäre ich beinahe an die harte Decke gehüpft. „Also, los!“ Die Maschine vor mir hat zwei rostige Sitze, auf dem einen schnalle ich mich fest und warte auf John. Dem aber scheint das zu schnell zu gehen. „Moment. Jetzt? Einfach so? Ohne… Vorbereitung oder…“ Ben sieht ihn an. „Was würdest du denn vorbereiten?“
Er hat recht, wie immer. Es bringt nichts, jetzt noch Pläne zu schmieden, denn wir wissen nicht mehr über die Vergangenheit, als Verstand uns sagt: Es gab die Zerstörung, und sie konnte nicht aufgehalten werden. Wäre es schließlich nur darum gegangen, keine Ahnung, Apps zu entwickeln, die die Leute zum Sparen animieren, wäre es nie so weit gekommen. John gibt sich geschlagen und schnallt sich auf den Stuhl neben mich. „Du bist dir sicher, dass das funktioniert, Ben?“ Mein Onkel nickt, ernst, aber auch ein wenig… traurig? „Ja, das bin ich. Die Maschine wird durch Strahlung angetrieben, die stark genug ist, um euch beide durch die Zeit zu schicken.“ „Bis bald“, sage ich, werfe ihm eine Kusshand zu und halte mich dann an meinem Stuhl fest. „Ihr schafft das“, meint Ben leise. Er zieht einen Hebel. Während die Maschine heiß läuft, lasse ich mir Bens Worte noch einmal durch den Kopf gehen: Wird durch Strahlung angetrieben. 2020. Dort ist noch kaum Strahlung vorhanden. Stopp. „Ben?“ Mein Onkel sieht mich an, lächelt, doch in seinen Augen schwimmen Tränen. „Wie kommen wir denn dann zurück? Ben? Schaffst du es so lange ohne uns?“ Doch er lächelt nur immer weiter, und ich verstehe: Wir kommen nicht zurück. „Rettet die Welt, meine Kinder“, sagt Ben noch, ich schreie und… wir sind weg.
Als ich wieder zu mir komme, liegen wir auf wunderbar grünem Gras. Die Stille meiner Zeit hat sich in ein Knattern und Dröhnen verwandelt: Es muss geklappt haben. Ich stehe auf. Vor mir liegt eine Straße, dahinter erheben sich riesige, glänzende Gebäude. Hinter mir eine Wiese. Eine Frau und ein kleines Tier gehen darauf spazieren, ich schätze, auch Klimakämpfer brauchen einmal eine Pause. Dann sehe ich, wie die Frau eine Plastiktüte hinter sich auf den schönen, lebendigen Rasen wirft. Im nächsten Moment saust eine knatternde Maschine vor mir über die Straße, die förmlich nach verpesteter Luft riecht. Weiter hinten, am Horizont, entdecke ich einen breiten Turm, aus dessen Öffnung grauer Dampf quillt. Und dort, zwischen den Häusern stehen Jungen in meinem Alter, die Früchte auf ein Plakat werfen… aber… „John!“, schreie ich, während ich hin und her sehe, unfähig, klar zu denken. Erst der Verlust von Ben und jetzt... „John, die Leute kämpfen ja gar nicht. Dabei wäre es jetzt so einfach, die Welt zu retten!“