Als die Ewig Reisende auf die Erde zurückkehrte, konnte sie ihren Augen nicht trauen. Was sich dort vor ihren Augen erstreckte, hatte keinerlei Ähnlichkeit mit der Welt, die sie verlassen hatte.
Wo war all das Grün, all das wachsende und gedeihende Leben? Wieso verfing sich der Wind nicht in Bäumen und Sträuchern, machte die Welt nicht zu seiner alleinigen Rassel? Was war aus dem Fluss geworden, der normalerweise lebhaft vor sich hin sprudelte und gluckste? – Nein, diese Gegend hatte nichts gemeinsam mit ihrem Reiseziel.
Verwirrt überprüfte die Ewig Reisende ihre Koordinaten. Noch nie in ihrer Laufbahn als reisende Forscherin in Raum und Zeit war es vorgekommen, dass sie Koordinaten falsch eingegeben hätte, aber es musste wohl immer ein erstes Mal geben. Heute nicht - alle Eingaben waren korrekt. Sie befand sich auf der Erde und die leblose Öde vor dem Fenster ihres Teleportals war traurige Realität.
Keine 50 Erdjahre waren seit ihrem letzten Besuch vergangen und doch hätte sie die Welt kaum wiedererkannt. Sie war gekommen, um eine alte Freundin zu besuchen und sie bei ihrer Arbeit als Umweltforscher zu unterstützen. Eine Arbeit, die sich nun wohl von selbst erledigt hatte, viel zu erforschen gab es nicht mehr in dieser Welt der Trockenheit.
Die Ewig Reisende ließ ihren Blick über den Horizont wandern, mit jeder Minute verzweifelter. Sie hatte schon viele Zivilisation, ganze Planeten untergehen sehen, doch nie so plötzlich. Natürlich hatte es Anzeichen gegeben -Klimawandel, Ressourcenknappheit, Verschmutzungen waren durchaus im Bewusstsein der Menschen gewesen. Also wie konnte es so weit gekommen sein?
„Ewig Reisende?“, ertönte eine erschöpfte Stimme und bescherte der Angesprochenen beinahe einen Herzinfarkt. Noch nie war die Ewig Reisende derart unerwartet angesprochen worden und gleichzeitig so froh darüber. Es gab also doch noch Leben auf diesem Planeten!
„Mary, ich bin ja so froh deine Stimme zu hören“, sprach sie und drehte sich zu Mary, bei deren Anblick ihr jedoch die Worte im Hals stecken blieben. Die Gestalt vor ihr hatte keinerlei Ähnlichkeit mit der lebhaften, neugierigen Forscherin von früher, sie wirkte genauso nah am Ende wie der Grund unter ihren Füßen.
Natürlich bemerkte Mary die Reaktion der Ewig Reisenden. „Ich weiß wie schlimm ich aussehe, keine Sorge“. Auf ihren Lippen lag ein leichtes Lächeln, doch ihre Augen blickten unverändert emotionslos.
„Nicht nur du... Was ist passiert?“.
„All das, was wir mit unserer Forschungs- und Aufklärungsarbeit vor 50 Jahren verhindern wollten. Chemische Waffen, atomarer Müll Überschwemmungen, Trockenheit, Wasserknappheit. Kriege um Wasservorräte wurden geführt, jedoch ohne Ergebnis- es gibt keine nennenswerten Vorräte mehr. Das Wenige, was es noch gibt, wird von den Regierungen streng überwacht und so sparsam verteilt, dass nur die Wenigsten überleben“, ratterte Mary herunter, als hätten ihre Worte keinerlei Bedeutung, als hätte sie nicht gerade das Ende ihrer Spezies geschildert.
‘Emotionale Trägheit, ein klassisches Syndrom von Dehydration‘, notierte sich die Ewig Reisende innerlich. Sie muss schreckliche Kopfschmerzen haben. Ein Wunder, dass ihr Körper überhaupt noch funktioniert‘.
Ein einzelner Vogel hoppelte an ihnen vorbei, pickte versuchsweise in den Boden und flatterte resigniert davon.
Die beiden Frauen blickten ihm schweigend hinterher, diesem seltenen Zeichen des Lebens, doch keine von ihnen konnten daraus Hoffnung ziehen.
„Wo sind die anderen Menschen?“, erkundigte die Ewige Reisende sich schließlich.
„Wir -die wenigen, die noch aus unserer Stadt übrig sind- haben uns zu einer Wohngemeinschaft im Rathaus zusammengeschlossen, damit wir nicht vollkommen verelenden und zumindest noch Gesellschaft haben, mehr bleibt uns nicht. Wir versuchen unserer letzten Reserven an Essen so gut wie möglich aufzuteilen, doch schlussendlich wird es aufgebraucht sein, ebenso wie die Wasserreste. Das Ende der Menschheit steht bevor, wir haben uns selbst und unseren Planeten durch unseren Unwillen zur Sparsamkeit zerstört, es gibt keinerlei Hoffnung mehr für uns“.
Die Ewig Reisende konnte ihr nicht widersprechen. Es gab keine Hoffnung mehr – zumindest in dieser Version der Zukunft.
„Ich kann euch keine neuen Ergebnisse liefern“, stieß die Ewig Reisende genervt aus. Für sie waren nur wenige Minuten seit ihrer Begegnung mit Mary vergangen, für die Menschheit war es 50 Jahre früher. „Ihr habt all das Wissen, das ihr braucht. Ihr wisst, dass eure Abgase die Ozonschicht zersetzen. Ihr wisst, dass die daraus folgende Erwärmung die Eismeere zum Schmelzen bringen und dass eure Küstenabschnitte -auf denen immerhin zwei Drittel eurer Metropolen stehen- früh oder später untergehen werden. Ihr wisst -und habt immer gewusst-, dass eure Ressourcen begrenzt sind, dass auch Wasser begrenzt ist und nicht im großen Stil verschmutzt werden sollte. Ihr wisst, dass euer momentaner Lebensstil auf lange Sicht unhaltbar ist. All diese Sachen wisst ihr schon seit langer Zeit, doch ihr ändert nichts. Stattdessen erfindet ihr neue chemische und atomare Waffen, die dem Planeten noch zusätzlich schaden“.
„Dann helfen Sie uns! Wofür sind Sie denn Zeitreisende?“, erwiderte der Forscher hilflos.
„Ich kann euch nicht helfen. Es gibt keine Wunderwaffe gegen eure Probleme. Ihr habt alles was ihr braucht, ihr wisst was schiefläuft, ihr habt die nötigen Ergebnisse. Also lernt daraus, werdet aktiv. Ich habe schon zu viele Zivilisationen, ja zu viele ganze Planeten untergehen sehen, weil Warnungen und Vorzeichen ignoriert und Änderungen aufgeschoben wurden. Und ich habe gesehen was aus eurem Planeten wird, wenn ihr euch nicht ändert. Glaubt mir, das ist eine Zukunft, die ihr nicht erleben wollt“. Bevor der Forscher sie aufhalten konnte, stieg sie zurück in ihr Teleportal und verschwand im unendlichen Gewirr von Zeit und Raum, in ihrem Herzen die Hoffnung, dass die Menschheit vielleicht lernen würde und die schreckliche Zukunftsvision nicht Realität werden würde.