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Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Tabea, 17 Jahre
Die Erde stirbt. Und wir schauen dabei zu. Ich schließe meine Augen und will nicht mehr hinsehen, aber der Tod verschwindet nicht einfach. Der Tod ist ein Sturkopf. Er fällt über die Erde her, wie ich am vergangenen Sonntagnachmittag über den cremigen Erdbeerschokoladenkuchen meiner Großmama. Es bleibt nichts übrig. Das ist kein Witz. Es macht mir Angst. Aber man hat immer eine Wahl. Und ich habe mich entschieden.
Papa und Mama sind sich einig. Die Bäume in unserem Garten müssen weg. Die Blumenwiese muss weg. Und schmücken soll unsere heimatliche Idylle eine graue Betonterrasse mit Plastikpalmen. Jedes Haus, jeder Garten in unserer Straße sieht fast gleich aus. Alles farblos und fehlerfrei. So will ich nicht wohnen.
Die Menschheit ist egoistisch und faul. Da ist schon der Knackpunkt. Denn das heißt noch lange nicht, dass ich es auch sein muss. Mama macht mir jeden Morgen Frühstück, sie besteht darauf. Sie packt das Schulbrot in eine Plastiktüte. Sie packt die Bretzel in eine andere Plastiktüte. Sie packt den Apfel in eine dritte Plastiktüte. Die Plastiktüten werden einmal benutzt und danach landen sie abends im Müll. Ich fange an, alles zu hinterfragen, und schlage Mama vor, mein Schulessen in Brotboxen zu transportieren. Diese könnte ich immer und immer wieder benutzen. Sie sagt Nein, es wäre zu viel Arbeit, die Brotboxen tagtäglich mit Wasser und Spülmittel zu säubern. Am nächsten Tag gehe ich nach der Schule in einen Fairtrade-Laden und kaufe mir eine Brotbox von meinen Ersparnissen. Jetzt ist die Zeit, etwas zu ändern. Nicht erst, wenn ich erwachsen bin. Nicht erst, wenn ich im Klimakrieg gefallen bin.
Wir sitzen im Restaurant. Am Nachbartisch liest eine Familie gerade die Menükarten. Ich beobachte den Sohn des Ehepaares. Er ist ungefähr mein Alter und scheint ein Leckerbissen zu sein. Seine Mimik ändert sich beim Lesen, und plötzlich frägt er grübelnd in die Runde: „Was sind denn To-ma-ten? Das habe ich ja noch nie gehört.“ Das ist erdballrundes, kochendrotes Gemüse. Befinden wir uns auf dem absteigenden Plastikast? Fallen wir gleich runter? Verlernen geht schnell, lernen dauert länger.
Ich träume die Realität von morgen. Niemand erinnert sich mehr an Laub- und Tannenwälder. Überall gibt es nur noch Plastikwälder. Sie sind pflegeleichter und schöner anzusehen. Niemand kennt mehr Obst und Gemüse vom Feld. Jeder ernährt sich von Chemieprodukten. Niemand atmet mehr selbstständig. Alle tragen Tag und Nacht Sauerstoffmasken. Denn der Sauerstoff ist der Erde längst ausgegangen. Überall nur noch Gase in der Luft. Der Klimakrieg ist ausgebrochen. Wir blicken dem Tod in die Augen, verbeugen uns und erhalten ein Danke als Antwort. Ist das das Ende? Großmama meint immer, das Ende haben wir selbst in der Hand, zweite Chancen kriegt man selten und der Tod spielt sein Spiel ohne Angst auf Verlust.
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