Der Dreck der Welt

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Lia Jocelyn, 12 Jahre

„Mutter! Ich habe dich doch lieb, du darfst nicht sterben!“ schluchze ich. „Für jeden Amila“, höre ich ihre schwache, krächzende Stimme sagen, „kommt einmal die Zeit, wo man gehen muss. Meine Zeit ist jetzt und deine wird auch kommen.“ „Aber ich brauche dich doch!“ versuche ich zu sagen, doch meine Stimme wird von Tränen erstickt.
Mutters Hand, die meine festgehalten hatte fällt zurück ins Bett, ich höre, wie Mutters Atem schwächer wird. Mit letzter Kraft haucht sie mir zu: „Sorge für Daria!“
Nach diesem Satz, hört sie auf zu atmen.


Ich bin Amila Said und lebe in Kairo, der Hauptstadt Ägyptens. Leider ist hier Smogalarm. Die „Abgaswolke“, wie ich sie gern nenne, ist hier aus verschiedenen Gründen: Natürlich ist auch der viele Verkehr mit Schuld an der schlechten Luft hier, aber wirklich Schuld am Smog sind die Bauern, die regelmäßig ihre Felder abbrennen um Reisstroh zu entsorgen.
Die schlechte Luft ist Schuld daran, dass ich meine Eltern verloren hatte. Mein Vater starb, als ich vier war und meine Mutter, als ich zehn war. Beide haben Lungenkrebs gehabt.
Jetzt bin ich 12 und lebe zusammen mit meiner acht Jahre alten Schwester als Straßenkind in den Gossen unserer Heimatstadt.

„Amila, wach auf!“ weckt mich die Stimme meiner kleinen Schwester. „Was ist denn?“ antworte ich ihr verschlafen. „Ich habe Hunger!“ meint Daria. „Na dann, lass uns zu dem Bazar Chan el Chalili gehen, dort sind doch immer viele Touristen.“ schlage ich vor und verlasse den Hauseingang eines alten Hauses, welcher Darias und mein Schlafplatz ist.
Während wir zu dem großen Markt gehen, betrachte ich nachdenklich meine Schwester. Mir fällt auf, wie sehr das Leben auf der Straße sie geprägt hat: Sie ist abgemagert und dreckig, Sie hat einige Narben, die von Verletzungen stammen, die Drogenabhängige ihr zugefügt haben. Ich habe gehört, dass 35% der Einwohner dieser Stadt drogenabhängig sind. Manchmal schlagen die Drogenabhängigen dann Straßenkinder und so kommt es dann dazu, dass Kinder wie meine Schwester Narben für ihr Leben davontragen.
Daria trägt ein dunkelblaues, verdrecktes T-Shirt, das einige Löcher hat. Ihre Hose, eine grüne schmutzige Dreiviertelhose ist ebenfalls nicht ohne Löcher.
Ich gebe mir Mühe, ihr Essen zu besorgen, aber ich bin doch auch nur ein Kind. Immerhin müssen wir nicht auf der Müllkippe schlafen, so wie andere Kinder. Natürlich ist es kein Luxus vor der Tür eines Hauses zu schlafen, aber es gibt eine Überdachung, so, dass wir bei Regen trocken bleiben. Aber so sehr ich mich um Daria sorge, ich kann ihr nicht das geben, was sie bräuchte: Ein sicheres Leben und die Geborgenheit, die einem eine Familie gibt.

Als wir auf dem Bazar Chan el Chalili ankommen ist dort schon viel los. Viele Touristen, die begeistert sind von dem Bazar und seinen vielen Ständen, allerdings wirken sie auch enttäuscht, ich denke wegen des Smogs. Alle tragen Atemschutzmasken um sich vor den Abgasen zu schützen.
Daria und ich setzen uns an den Rand einer Gasse und betteln. Viele Touristen sehen uns mitleidig an und manche werfen uns ein paar Piasta in die Hand.
Plötzlich aber kommt eine Frau mit strahlendem Lächeln und langem blonden Haar auf uns zu. „Guten Tag, ihr zwei! Ich bin Frau Emam und wer seid ihr?“ Ich musterte sie misstrauisch, sie sprach Arabisch mit uns und sah auch nicht aus wie eine Touristin. Ich traue ihr nicht ganz: Warum  redet sie einfach so mit uns. Und was macht Daria? Sie plaudert munter drauf los: „Also ich bin Daria Seid und das ist meine Schwester Amila. Sie redet nicht gern mit Menschen, die sie nicht kennt auch wenn sie noch so nett sind, aber sonst ist sie ganz toll. Ich mag ihre Haare, ich würde mir meine auch gerne mal blond färben, wenn ich das Geld hätte...“ Ich unterbreche ihren Redeschwall, indem ich ihr ins Ohr flüstere: „Daria! Man redet nicht einfach mit fremden Menschen.“ Frau Emam scheint die Bemerkung gehört zu haben, denn sie meint: „ Amila hat eigentlich schon recht, aber ich bin hier um euch zu helfen.“ „Und wie?“ fragt Daria mit großen Augen, aber ich sage: „Nein, wir brauchen keine Hilfe!“ Die Frau wendet ein: „Bist du dir sicher Amila?  Ich arbeite im „Hope Center“, es wurde vor kurzem gegründet und wir nehmen dort Straßenkinder auf, sie können bei uns wohnen, bekommen genug zu essen und Schulbildung. Es ist so etwas, wie das Sprungbrett in ein besseres Leben. Aber wir können maximal 75 Kinder aufnehmen.“
„Wirklich?“ frage ich ungläubig. Das wäre die Chance. Ich sehe Daria an, sie schaut mich mich an mit ihren hoffnungsvollen Augen und ich nicke: „Wir würden ihre Hilfe doch gerne annehmen, Frau Emam.“ Frau Emam strahlt und bringt uns ins „Hope Center“.

Im Hope Center geht es Daria und Amila gut. Sie lernen lesen und schreiben und ihnen stehen Betten und sogar Fernseher zur Verfügung. In Frau Emam finden die Kinder eine Mutter, die immer für sie da ist. Die Köche machen gutes Essen und die Lehrer sind auch sehr freundlich. Aber trotz dem guten Leben vergisst Amila nie ihr Leben auf der Straße oder, dass sie und ihre Schwester um ihr Leben kämpfen mussten.
Amila ist gut in der Schule und für ihr späteres Leben stehen ihr alle Türen offen, doch sie entscheidet sich, Umweltschutz zu studieren und anderen Menschen zu helfen.

Ägypten ist längst keine Smogstadt mehr wie vor einigen Jahren, denn die Professorin Amila Seid hält Reden, die Menschen überzeugen, etwas zu ändern.
Heute hält Amila eine Rede in der Universität Kairo. 
Sie beginnt ihre Rede: „Danke, dass ich hier sein kann. Ich freue mich sehr, ihnen sagen dürfen, dass sich die Lage unserer Stadt verbessert hat. Wir müssen nicht mehr mit Atemschutz rumlaufen. Die Landwirte bekommen Geld, wenn sie Reisstroh verkaufen, verbrennen es nicht mehr und wir haben weniger Smog. Außerdem habt ihr begonnen meine Idee mehr Grünanlagen in der Stadt anzupflanzen in die Tat umzusetzen.
Kairo ist jetzt eine Stadt, die zu atmen begonnen habt. Kairo ist eine schöne Stadt geworden und ihr seid ein Teil dieser schönen Stadt.
Ich danke euch.

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Autorin / Autor: Lia Jocelyn, 12 Jahre