Mein Name ist Misfit Size. Ich bin auf einem Acker in Baden-Württemberg aufgewachsen und wurde liebevoll aufgezogen. Ich wurde reichlich mit Wasser und strahlender Sonne versorgt. Dann kam die Ernte und die anspruchsvollen Menschen. Mein Weg endet bereits hier. Ich bin zu klein, um ihnen zu gefallen. Auch meine großen Kollegen fanden sich auf dem Acker. Zurückgelassen voller Energie und Nährstoffe. Ein alter Mann rettete uns. Er kommt regelmäßig nach der Erntezeit und sammelt die übrig gelassenen 50% von uns auf. Er macht dies aus Armut, aber auch aus Respekt vor der Natur, vor dem Leben und den Ressourcen. Bereits seine Mutter nahm ihn mit zur „Kartoffel-Nachlese“. Ich bin froh, gerettet und wertgeschätzt zu werden und somit meinem Erzeuger zu helfen, sich von seiner Wut über die Ansprüche, seiner Demut über die verschwendeten Ressourcen und dem damit einhergehenden moralischen Konflikt teilweise zu befreien.
Ich bin Misfit Standart. Meine Geschichte begann wie die oben Geschilderte. Allerdings bin ich knackig und orange, habe keine Druckstellen oder Risse und ein wunderschönes Karottengrün. Beim Transport zu der Fabrik, die mich in ein schönes, den Kunden ansprechendes Gewand hüllen soll, werde ich eng neben meinen Kollegen gelagert. Dort angekommen sortiert man mich aus; angeblich hätten sich durch den Transport braune Stellen an der Oberfläche meiner Haut gebildet. Ich entspreche nicht den Normen, ich bin unperfekt, nicht dafür gemacht, den Erwartungen der Händler und Kunden zu entsprechen. Woher nehmt ihr das Recht, über mein, über unser aller Leben zu bestimmen?
Ich heiße Misfit Abundance. Ich habe den Weg in den Supermarkt geschafft, da ich makellos bin. Ich liege in einem Korb mit meinen Kohlrabi-Kollegen, meine Blätter wunderschön hintrapiert. Aber diese reißen die Kunden sowieso ab, bevor es zur Kasse geht! Sind sie allerdings nicht vorhanden, dann nimmt mich keiner. Nein, was ist das? Die Supermarktangestellte packt mich. Sie wirft mich auf den Boden. Doch warum? Neue Ware ist da, mein Platz wird benötigt, denn die Regale müssen immer ansprechend sein, und den Kunden sprechen sie an, wenn sie vor Fülle platzen, wenn alles zu jeder Tages- und Nachtzeit für ihn theoretisch verfügbar ist. Mein Weg endet im Container hinter dem Supermarkt. Nachts höre ich, wie sich jemand an den Schlössern der Container zu schaffen macht. Meine Rettung? Es ist ein Mädchen mit einem Rucksack. Sie nimmt zuerst eine Menge an Bananen, die über mir liegen, dann zieht sie eine neue Pralinenschachtel aus dem Müll, nein was sage ich, sie ist nicht neu, die Packung hat eine Delle! Nimm mich! Nimm mich! Ja, sie greift nach mir, aber nicht an meinen Blättern, wie ich es schon erlebt habe, nein, sie hebt mich vorsichtig aus dem Müll. Ich danke ihr dafür, auch wenn das illegal ist, was sie tut. Sie macht es nicht aus Armut, sondern aus Protest! Aus Protest und für eine bessere Welt, in der weniger Lebensmittel verschwendet werden.
Ich wurde von dir Misfit Date getauft. Ich habe einen langen Weg hinter mir. Aus Milch wurde ich hergestellt, aufwendig verpackt, dass ich ansprechend bin, transportiert, sortiert, angefasst von vielen Menschen, zurückgestellt. Ich stand immer in der ersten Reihe, um mich zu präsentieren und es in einen eurer Kühlschränke zu schaffen. Doch paradoxer Weise wurde ich nur als Platzhalter benutzt, denn so oft wurde ich durch einen meinen hinteren Kollegen ausgetauscht, der angeblich frischer, schöner, länger haltbar ist. Doch ich wusste, dass das nicht stimmt. Dann kamst du, ein Mann Mitte 20, wahrscheinlich Student. Du sahst mich nicht richtig an, warst im Stress, aber du griffst nach mir und hast mich im Wettlauf mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum gerettet. Was mich allerdings bei dir zu Hause erwartete, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst. Ich war nicht der Einzige. Dein Kühlschrank: ein Grab! Vollgestopft und unstrukturiert, fand ich mich neben einer verschrumpelten, leicht schimmeligen Möhre wieder. Ich will hier raus, flehte ich dich an. Du ignoriertest mich einige Tage, bis du mich schließlich rausholst. Doch der Weg führt mich nicht an den Tisch, um von dir verspeist zu werden, nein, er führt mich in den Müll. Dabei bin ich noch voller Nährstoffe und genauso gut wie vorher; aber mein Äußeres beherrscht euch und gibt euch scheinbar eine Rechtfertigung, mir ein Ende zu bereiten. Vor allem dieses Mindesthaltbarkeitsdatum leistet mir Strebehilfe! Du warst für mich eine lebensverlängernde Maßnahme, aber konntest mich nicht retten; mich und die Ressourcen, die zu meiner Herstellung verbraucht worden sind.
Mein Weg geht weiter. Man lagert mich, mit vielen anderen –noch genießbaren- Kollegen vor dem Haus, in der Kälte und Dunkelheit, bis schließlich die Erlösung kommt; für mich von meinem Leben und für dich von deinem schlechten Gewissen. Ich werde zerquetscht und unter den Körperteilen meiner Kollegen begraben. Dabei hätte ich noch Hunger bekämpfen können, doch du hast über meinen Lebenslauf entschieden. Todesursache: exitus letalis – tödlicher Ausgang einer Krankheit. Die Krankheit, dein indoktriniertes Streben nach Perfektion und die Projektion dessen auf mich und meinen Stempel – ein Behandlungsfehler!