Die Mutter
Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Vanessa Ruschpler, 15 Jahre
Samtwarme Farben schmeicheln den Augen der Besucher des Palastes. Prunkvoll, prächtig, prassend. Während die Schneider für Perlen auf den Gewändern sorgen, treibt etwas ganz anderes Perlen auf die Stirn. Das ganze Land schuftet nun im Schutze der Nächte mit Stirnlichtern wie Bergleute. Im Schutze vor der Sonne, die neben dem Wasser aus der Haut, auch die Energie der Menschen aussaugt und die Felder verdorren lässt. Nur die Kälte des Herrschers ist zu spüren, dennoch ist es dieser Kälte nicht möglich die Gemüter zu kühlen, sondern entfacht diese nur umso mehr.
Unter diesen Umständen kam ein Reisender aus einem fernen Lande zu Besuch. Wie viele vor ihm sah auch er den gewaltigen Palast auf seiner Durchreise. Er liebäugelte mit einer Rede vor dem Herrscher, um seinen Plan vorzustellen. Genauso wie er es in jedem Lande versuchte, ein Bote von Wahrung und Neuerung. So kam es, dass auch er ein Besucher wurde und die samtwarmen Farben in Augenschein nehmen konnte. Der Palast war enorm, scheinbar unendlich reichende Gänge mit Verzierungen und Wandmalereien, paradiesisch angelegte Atrien erstreckten sich vor den Augen der ungläubigen Betrachter. Der Unterschied konnte nicht monumentaler sein. All die entwässerten Felder verschwanden aus den Gedanken und Schönheit erstreckte sich.
Vor den Füßen niederkniend offenbarte der Bote seinen Wunsch. Er entstammte einem Naturvolk und ihm blutete das Herz bei der Nichtachtung aller Mutter. „Ihre Durchlaucht,“, begann der Reisende, „verfüge ich auch nicht über einen Horizont wie Ihren, wage ich Zweifel über den Bestand der Erde. Als Aufgabe meines Volkes sahen wir seit jeher die Erhaltung der Natur. Durch den Fortschritt, ist diese bedroht, und somit auch der Bestand der Menschheit. Unsere Mutter kann ohne uns, wir nicht ohne sie. Ihre Nabelschnur versorgt unsere kleinen Körper und Seelen. Es ist die Zeit gekommen in der sie immer gebrechlicher wird, wir müssen sie mit allem in unserer Macht stehenden schützen.“ Seine Durchlaucht saß mit regungslosem Gesicht da. Eine Handbewegung später legte der Bote seine Hände um die Stahlstäbe, vor seinem Fenster ein Gitter.
Einige, nein reihenweise, eher in Scharen, kamen sie und verkündeten Wünsche, die bald darauf vergessen wurden. Aber aus unbekannten Gründen konnte Seine Durchlaucht dieses Verlangen nicht vergessen. Im Bett wälzend dachte er an seine Mutter. Ihre zarten Hände lagen auf seinen, die rosenduftenden Haare das Gesicht umspielend. Genauso stellte er sie sich vor. Kennenlernen konnte er sie nicht, bei seiner Geburt sterbend. Eine Träne rann eine Wange hinunter. Als er seinen Palast verließ und das ausgetrocknete Land wahrnahm, fasste er den Beschluss die aller Mutter nicht seinetwegen verenden zu lassen.
Gleich am folgenden Tag sah sich der Bote auf der anderen Seite der Stäbe, erneut in der Halle dem Herrscher gegenüberstehend. Jedoch sobald sich der Bote niederknien wollte, wurde er aufgehalten, eine Hand ruhte auf seiner Schulter. „Sag mir wie.“, verlangte der Mächtige entschlossen und ruhig. Der Reisende schaute ihm direkt in die Augen. „Ich führe dich mein Bruder.“
So kam es, dass der Bote die rechte Hand wurde und seinen Bruder viel lehrte. Der Palast solle mehr das Sonnenlicht nutzen, isoliert werden und die Heizungen sollen seltener benutzt werden. Und der Herrscher gehorchte. Der Bote erzählte von erneuerbaren Energien. Und der Herrscher verstand. Der Bote verlangte öffentliche Verkehrsmittel, mehr Fahrräder und Carsharing. Und der Herrscher ordnete an. Die Bauern, die durch die ausbleibenden Erträge der Ernten zu leiden hatten, ließ er bei sich hausen. Nun war im ganzen Lande weniger die Wärme der Erwärmung, sondern die seines Herzens zu spüren. Entzückt über diesen Erfolg reist der Bote rastlos weiter und wer weiß, vielleicht schafft er es auch dich zu überzeugen?
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Autorin / Autor: Vanessa Ruschpler, 15 Jahre