Raucherlunge

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Janina Fellgiebel, 17 Jahre

Dichter Qualm waberte um seinen Kopf, raubte ihm beim Ausatmen für wenige Sekunden die Sicht, bis er sich so leise verflüchtigte, wie er gekommen war. Die Zigarette ruhte zwischen Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand, die von Altersflecken übersät war. Selbst nach acht Jahren fand er es gewöhnungsbedürftig, den Glimmstängel mit seiner Rechten zum Mund zu führen. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie ihm seine Zigarette aus der Hand gefallen war, als das starke Zittern zum ersten Mal einsetzte. Kurze Zeit später wurde ein Tremor in seiner linken Hand diagnostiziert. Der Arzt sagte ihm grinsend, dass das ein Zeichen sei, endlich mit dem Rauchen aufzuhören, doch stattdessen hatte er begonnen, die rechte Hand zu nutzen.

Er kam jeden Nachmittag hierher. Seit vierzig Jahren saß er regelmäßig auf dieser einen alten Holzbank, direkt in der Mitte, breitete die Beine aus, faltete die Hände vor seinem Bauch und lauschte den Geräuschen, die man eben in einem Park hören konnte. Nach einer halben Stunde tastete er in seiner Jackentasche nach der großen Zigarettenbox, öffnete den Deckel, dessen Papierecken eingeknickt waren, zog mit seinen schmalen Fingern einen Glimmstängel heraus, befeuchtete seine Lippen und umschloss mit ihnen die Zigarette. Manchmal nahm er sie falsch herum in den Mund, immer dann, wenn Leute vorbei kamen. Das war sein kleines soziales Experiment. Wer von den Menschen bemerkte ihn? Wem fiel auf, dass die Zigarette falsch herum war? Wie viele hatten einen Blick für ihre Umwelt übrig und waren nicht nur auf sich konzentriert? Keiner von ihnen hatte sich bis jetzt die Mühe gemacht, ihn auf seinen Irrtum hinzuweisen.

Mit einem resignierten Kopfschütteln drehte er die Zigarette richtig herum und zündete sie mit einem Streichholz an. Kurz glühte sie auf, dann umgab ihn der altbekannte Geruch, hüllte ihn wie ein seidiger Mantel ein und Tabak, Nikotin und die übrigen Stoffe bahnten sich ihren Weg durch seine Lungen und Atemwege, bis sie wieder an die Luft fanden und sich um seinen Kopf verdichteten, bevor sie verschwanden, als seien sie nie da gewesen. Sein Atem rasselte beim Ausatmen. Seit einem Jahr überfiel ihn immer öfter ein gewaltiges Kratzen im Rachen, so penetrant, dass er husten musste, genau wie jetzt. Dieses Mal konnte er beinahe nicht mehr aufhören und er dachte, jetzt würde er das Lied des Todes hören. Eine dunkle, melancholische Musik, die sich so leise anschlich und plötzlich auftauchte, wie der Qualm, den er routiniert in die Luft stieß. Die Musik verstummte, als ihm jemand auf den Rücken klopfte. Augenblicklich waren seine Atemwege wieder frei, der Husten stoppte und er drehte sich erschrocken um. Zwei grüne, funkelnde Augen blickten ihn besorgt an. Ein Mädchen, sie mochte nicht älter als zwölf sein, stand hinter ihm.

„Alles in Ordnung?“
„Ja, passt schon wieder.“ Seine Stimme klang rau und dunkel.
Das Mädchen legte den Kopf schief, ging um die Bank herum und setzte sich neben ihn.
„Warum rauchst du?“ Ihr missbilligender Blick traf die Zigarette.
„Warum atmest du?“, fragte er anstatt einer Antwort.
Sie zuckte mit den Schultern: „Damit ich nicht sterbe.“
Er nickte. „Aus diesem Grund rauche ich.“
„Das ergibt keinen Sinn“, stellte sie fest und runzelte die Stirn.
„Ich weiß.“

Das Mädchen mit den blonden Haaren und den grünen Augen, die ihn an frisches Moos erinnerten, schwieg einige Augenblicke, bevor es zur nächsten Frage ansetzte.

„Seit wann rauchst du?“ „Ich habe mit neunzehn angefangen.“ „Und wann hörst du damit auf?“ „Ich kann nicht damit aufhören, die Zigaretten sind ein Teil von mir geworden.“ „Aber dann wirst du sterben.“ „Du auch irgendwann.“ Kurz war er über seine harschen Worte erschrocken, doch er schien das Mädchen nicht verängstigt zu haben.

„Was, wenn du weniger rauchst?“ „Dafür ist es doch schon zu spät.“ „Hast du denn keine Angst?“
„Wovor?“
„Na, dass du mit dem Rauchen dein Leben gefährdest“, sagte sie, als sei dies die normalste Frage der Welt, die sie einem Fremden stellen konnte.

Er räusperte sich, ließ die Zigarette fallen und trat sie mit seinem Schuh aus.

„Zu Beginn treibt einen die Neugierde. Später kommt die Angst, wenn man realisiert, dass man nicht mehr aufhören kann, aber die Angst ist kein treuer Freund. Irgendwann verschwindet sie und wird von der Gleichgültigkeit abgelöst.“

Ihm schwirrte langsam der Kopf von den vielen Fragen, die das Mädchen ihm stellte. Er sah, wie sie die Augen zusammenkniff, als er sich eine neue Zigarette anzündete. Unter grünen Argusaugen inhalierte er den Rauch, stieß ihn wieder aus und stellte zum ersten Mal fest, dass ein beißender Geschmack in seinem Mund zurückblieb.

„Du stinkst“, meinte das Mädchen unverblümt. „Das macht der tägliche Tabak.“ „Warum hörst du dann nicht auf?“, wiederholte sie die Frage, um die sich ihr gesamtes Gespräch drehte.

„Geht nicht.“ „Warum?“ „Manche brauchen es eben.“ „Verstehe ich nicht.“ Sie sah ihn ratlos an. „Ich auch nicht“, antwortete er ehrlich.

Sie saßen lange auf der Bank. Der Mann musterte das Mädchen, fühlte einen Stich im Herzen, ein Gefühl, das er lange nicht mehr verspürt hatte. Die Kleine war so jung, hatte ihr ganzes Leben vor sich. Konnte etwas bewegen und erreichen, was er nicht mehr vermochte. Als das Mädchen aufstand, um nach Hause zu gehen, brannte ihm eine Frage auf der Zunge.

„Du erinnerst mich an jemanden. Ein wenig an mich selbst“, flüsterte er. „Wie heißt du?“

„Man nennt mich Gaia.“ Sie drehte sich um und als er blinzelte, war sie verschwunden. Eine Zeit lang musterte er die Zigarette, warf sie schließlich aber zu Boden, obwohl er sie noch nicht fertig geraucht hatte. Vielleicht würde er die Dosis verringern. Er schmunzelte. „Gaia, was war sie doch für ein wunderbares Wesen.“

Die Zigarette zischte leise, als er sie austrat, aufstand und lächelnd davon ging.

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Autorin / Autor: Janina Fellgiebel, 17 Jahre