Sie steht da. Tränen kullern ihre perfekt geformten Wangen herab. "Wie konnte es soweit kommen? Ich habe dir alles gegeben. Meinen Körper, meine Gedanken, all meinen Besitz". Er schaut sie an. Die Liebe zu ihr, nach wie vor wie ein loderndes Feuer, doch bewegt sich das Feuer wie ein Ozean, unberechenbar, und verbrennt sie, die Liebe seines Lebens, seinen Lebenssinn, verbrennt Sie immer wieder. Ihre schöne Haut, ihre Brust, ihre sanften Züge. Brennt sie aus bis nur noch Asche übrig bleibt. "Wie kann ein Mensch lieben und das Geliebte vernichten zugleich?" Sie schaut weg, seinen Anblick kann sie nicht mehr ertragen. Sie waren ein Team, sie waren Partner und jetzt steht sie da, mit einem Messer, von ihm, im Rücken. Der Schmerz trübt ihre Augen. "Ich bin erschöpft vom erschöpft sein". Sie geht, er greift nach ihrer Hand doch sie verfällt zu Asche. Asche, die sein wütendes Feuer in voller Rage durch Waffen und Habgier, erzeugte. Als er alles niederbrannte, weil er mehr wollte. Er möchte sie halten, bei sich behalten. Er greift nach ihrer Schulter, doch diese wird Plastik und bricht und zerknüllt in seiner Hand. All das Plastik was er ihr schenkte. Was er kaufte, ohne nachzudenken. Unpersönliche Geschenke, die im Müll landeten. Dinge, die er kaufte um die Wegwerfgesellschaft am Laufen zu halten, obwohl er lieber ihre Beziehung am Laufen gehalten hätte. Mit seiner Zeit, nicht mit Geld. Er zahlte dafür, dass sie, ein stilles Wasser mit endloser Tiefe, zugemüllt wurde.
Auf einmal beginnt er zu begreifen. Er möchte es ihr erklären. "Ich hatte immer Mitleid!" schreit er. Sie beginnt noch lauter zu weinen. Ihr Gesicht tief vergraben in ihrer übrigen Hand. Sie steht und weint. Er schaut sie an. Er schaut ihr zu. "Ich dachte deine Freunde sind für dich da", wendet er sich ihr zu. Sie dreht sich um und schaut ihn an. Tränen aus Blut. "Mitleid macht dich nicht zu einem guten Menschen. Es war schon immer zu wenig. Hat Mitleid je was bewirkt?! Hat es jemals etwas geändert?! Wunden geheilt? Sag es mir!". Er Schweigt. "Das ist das Gefährlichste. Der Glaube daran, dass jemand anderes zur Rettung eilen wird. Es wird schon jemand anderes seine Komfort Zone verlassen, um zu helfen. Du bist der Gaffer beim Autounfall. Du hast mir nie geholfen, du hast immer nur zugeschaut. Doch wenn du etwas siehst, wirst du zum Mitverantwortlichen. Du hattest immer die größte Macht etwas zu bewirken, doch du hast dich immer dagegen entschieden, versteckt hinter Anonymität, weil du dir zu fein warst aus deiner Komfort Zone heraus zutreten. Wer bin ich schon, um von dir zu verlangen, dich für mich einzusetzen, zur Rettung meines Lebens... Ich verstehe dich, vielleicht würde ich auch den einfachen Weg nehmen. Schließlich bist du nicht derjenige der draufgeht. Da kann man auch mal ein Auge zudrücken. Am Anfang hatten wir noch sowas wie eine Symbiose, doch du bist zum Parasiten geworden. Und du hast es geschafft mich kaputt zu kriegen. Herzlichen Glückwunsch. Viel Erfolg bei der Suche nach einem neuen Wirt. Möge Gott ihm gnädig sein." Sie schweigt eine Sekunde still, dreht sich weg. Er kann es kaum noch ertragen. Er stellt sich vor, sie nimmt ihre zweite Hand, doch ihre Haut gleitet ab, sodass ihr Muskel offen gelegt wird. Er schreckt zurück. Weit aufgerissene Augen. ‚Das kann doch nicht sein… Das war ich nicht! Ich habe nie etwas getan‘ denkt er sich, versunken im Entsetzen. Er möchte ihr Gesicht noch einmal berühren, noch einmal an ihren Haaren riechen. Wie er es damals beim Einschlafen machte. Er streckt seine Hand nach ihrem Gesicht aus, wischt die blutigen Tränen weg. Kann es nicht glauben, dass er der Grund dafür ist, dass sie so geworden ist. Er fährt durch ihre Haare, doch schon wieder hält er ein Stück ihrer Haut mit ihrem Haar in seinen Händen. Er weint. Traumatisiert. Er hätte es niemals kommen sehen. Die Grausamkeit, die er ihr angetan hat. All seine Schuhe aus Leder, all der Pelz an seiner Kapuze. Er ist verantwortlich für das Häuten am lebendigen Leib. Wie kann das sein. Er hat es nie gesehen. Seine Augen weit aufgerissen. Er kann sich nicht bewegen. "Bitte" flüstert er "Bitte vergib mir". "Es ist einfacher um Vergebung zu bitten als sich richtig zu verhalten." Der Satz fliegt über ihre Lippen. Er möchte sie küssen. Er schließt die Augen. Er küsst sie. Geschmack von Blut in seinem Mund. Er öffnet die Augen. Sein Mund blutverschmiert. Eine Blutlache am Boden. Sie ist weg. Sie hat immer das Tier hinter dem Steak gesehen. Das Kalb hinter der Milch, das Huhn hinter dem Ei. Immer das Lebewesen. Human schlachten ist immer noch Mord. Sie hat die 60-70% der Abgase hinter der Massentierhaltung gesehen. Aber er, er wollte es nie sehen. Er wollte es immer nur schön reden. Doch Böses sollte man nicht gut reden. Man sollte es ändern. Er beginnt zu begreifen. Sie hat immer den Menschen hinter dem Obdachlosen gesehen, eine Geschichte, seine Geschichte. Sie hat immer gesagt, dass hinter jedem Gesicht, hinter jeder Schnauze eine Geschichte steckt. Bei dem Gedanken an sie verliert er sich in ihren ewig blauen Augen. Er hört eine Stimme. Ihre Stimme. Sie erhellt den Raum um ihn und ein Licht bildet sich. Ein Licht, das gerade so eben in seine Handfläche passt. "Du hast alles in deiner Hand. Licht ist wie Feuer, es breitet sich aus. Nur ist es sanft wie ein Lächeln, es steckt an. Bringe die Spiegelneurone auf mir zum Leuchten. Du, als Bürger hast einen überwältigenden Einfluss. Werde dessen bewusst. Verdränge die Verantwortung nicht. Mit jedem Cent den du investierst steuerst du die Nachfrage, die das Angebot steuert. Du baust also mit jedem Cent die Zukunft. Baue sie symbiotisch. Baue sie wach, mit Wissen, denn Unwissen schützt vor Leid und Schmerzen nicht."
Er umschließt das Licht mit seiner Hand. Und es wandert direkt in seine Augen. Seine Augen leuchten. "Willkommen im Wach".