Augen
Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Paula Staffa, 16 Jahre
Ein Menschenauge, hoch herab,
sieht stolz auf seine große Stadt
und freut sich über Lob und Ruhm.
Das alles ist sein Eigentum.
Die hohe Sonne wirft ihr funkelndes Licht
auf die glitzernde Stadt.
Ein Menschenaug’, von unten her,
er atmet fast vor Schreck nicht mehr.
Fassungslos.
Wo ist der Teich? Wo ist die Wiese? Wo ist der Baum?
Alles weg, er glaubt es kaum.
Zerstörung.
Er kehrt der Stadt den Rücken zu.
Eine Wolke zieht auf und verdeckt die Sonne.
Sicher strahlt sie anderswo.
Ein Jungtieraug’, sonst ungestüm,
sieht scheu auf dieses Ungetüm
und flüchtet in den letzten Wald –
ein Schuss durch alle Bäume hallt.
Bloß nicht jetzt, bloß nicht heut’!
Der Blick huscht hin und her, zurück –
Mama da, welch ein Glück!
Wie lange noch? Wann ist’s so weit?
Von dreien hetzen sie zu zweit.
Der Bruder starb beim letzten Knall.
Jagdfreizeit – ein Käfersmahl.
Die Abendsonne wirft blutrotes Licht
auf die dunklen Fassaden.
Ein Habichtsauge aus der Luft –
blickt es in die letzte Gruft?
Nein, es ist die graue Stadt.
Unterschied? Lang nicht gelacht.
Nicht viel denken, keine Zeit!
Beute knapp, Küken hungrig, Jagdplatz weg –
Was nun, was tun?
Beton, wo einst die Wiese lag,
Ratten, Müll statt Mäuseschmaus.
Ratte! Eine große Maus? Warum tot?
Nicht viel denken, keine Zeit!
Mit ins Nest, für die Kleinen.
Bloß nichts schlucken, nicht genug!
Küken schlingen voller Gier.
Mitternacht, alle tot.
Rattengift, Verzweiflungsschrei!
Ein letzter Blick zur schwarzen Stadt,
dann steigt er auf, mit schweren Flügeln,
und kehrt nie wieder.
Der Mond ist nicht hell genug,
um die Stadt mit seinem kalten Licht zu erleuchten.
Der Mensch weiß sich zu helfen.
Ein Fuchsauge, so winzig klein
im Angesicht von Stein um Stein,
ist aufgerissen, voller Panik.
Wie kommt er her? Wo ist der Wald? Wo bleibt die Nacht?
Tausend Lichter blenden. Das Herz hämmert. Stress.
Er rennt erst durch die halbe Stadt,
dann trottet er, dann schleppt er sich
und schließt die Augen.
Dunkelheit – und doch kein Frieden.
Am nächsten Morgen, noch vor Tagesanbruch,
fährt eine Kehrmaschine
durch die Gassen
und nimmt ihn mit.
Eine alte Taschenlampe, von Abfall fast verdeckt,
wirft flackerndes Licht in die Dunkelheit der Maschine
und erlischt.
Ein Fischauge, leblos, tot,
starrt starr auf die Unterseite eines Mülltonnendeckels.
Aus dem Leben gerissen zur Ernährung.
Das als Zweck?
Und doch liegt er jetzt hier,
mit hunderten, tausenden, millionen anderen.
Zu alt.
Im Meer verhungern sie.
Kein Licht
erhellt die Dunkelheit
solcher Ungerechtigkeiten.
Ein Kinderauge
blickt traurig
auf all diese Errungenschaften.
Die Stadt wird fallen, irgendwann,
doch die Schuld wird bleiben.
Sieht das denn niemand?
Was
kann ich tun
um Licht
in die Dunkelheit
der Welt
zu bringen?
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Autorin / Autor: Paula Staffa, 16 Jahre