Jemand tippt ihr auf die Schulter. Sie dreht sich um. Eine metallene Figur steht vor ihr. Emma schaut sich erschrocken um. Wo ist sie? Wer ist das? Wo ist ihr Zimmer, ihr Bett, ihre Familie? Emma springt auf und schlägt sich erstmal den Kopf an. Autsch! Während sie die Hand auf ihre Beule presst, schaut sie sich nochmal genauer um. Sie hatte in einem Stockbett geschlafen, ganz wackelig und rostig steht es da. Gleich in mehrfacher Ausführung in beachtlicher Menge nebeneinander. Überall liegen Menschen drin, Kinder, Erwachsene, Dunkelhäutige, Helle. Manche sitzen auf ihrem Bett und spielen mit den Handys, manche liegen regungslos da, manche schluchzen. Wer waren diese Menschen? Wo waren ihre Eltern? Sie verließ den Raum, sie wollte raus und sich umsehen wo sie war, denn dies war definitiv nicht ihr Kinderzimmer.
Draußen überkam sie der Schock. Nicht weit reichte das dürre, braune Gras, dahinter kam eine Absperrung. Über ihr war eine riesige Plane gespannt, sodass man keinen Himmel mehr sehen konnte. Sie war gefangen! Panik machte sich in ihr breit. Aber warum war sie eingesperrt? Sie ging ein paar Schritte nach vorne um zu sehen, was nach der Absperrung kam. Da draußen ging die Dürre noch ein paar Meter weiter, dann kam ganz abrupt das Meer. Das MEER?! Wo wurde sie bitte hingeschleppt? Zuhause gab es doch erst im nächsten Land das Meer. Und warum bitte war sie eingesperrt? Sie rannte wieder ins Gebäude. Vorbei an Menschen jeglichen Alters, jeglicher Generationen als sie ein Schild mit einem i erkennen konnte. Emma war zwar erst in der ersten Klasse, aber ein paar Buchstaben kannte sie schon. „I. Sehr gut, Information!“, dachte sie und rannte den Pfeilen nach. „Hallo, hallo?“ Sie war zu klein, um über den Schalter hinweg sehen zu können. „Guten Tag, was kann ich für sie tun?“ Die Stimme klang computeranimiert. Ein Roboter? Emma stellte sich auf Zehenspitzen- und blickte in das metallene Gesicht eines: Roboters. Emma starrte ihn an und ihr wurde immer mulmiger zumute. „Ich, ich suche meine Eltern.“, begann sie zitternd, und brach dann ganz in Tränen aus. Das war alles zu viel für sie. Der Roboter verzog keine Miene. Wie denn auch. „Ich weiß nicht wo ich bin.“, setzte sie nochmal tapfer an. „Sie befinden sich auf der Insel D“, antwortete der Info-Roboter nüchtern. „Auf einer Insel?“, fragte Emma erschrocken und laut. Vielleicht zu laut, denn in dem Moment drehte sich ein Junge zu ihr um und nickte. „Jap.“ „Aber, aber ich, ich wohne nicht auf einer Insel. Und das Meer ist von zuhause kilometerweit weg.“, meinte Emma. „Tja, wir alle sind von zuhause kilometerweit weg. Nicht nur du.“, antwortete der Junge schulterzuckend und wollte weiter gehen. Emma, die in dem Jungen mehr Potenzial sah als in dem Info-Roboter rief: „Warte!“ und rannte ihm hinterher. „Wie meinst du das. Wieso sind hier alle soweit weg von zu Hause? Was machen wir hier?“ Der Junge schaute sie etwas verwirrt an. „Na fliehen?“ „Vor was?“, fragte Emma verständnislos. „Vor dem, was wir Menschen angerichtet haben.“, meinte der Junge trocken und ging nach draußen. „Vor dem Plastik, das die Tiere sterben lässt, vor den Autos und Fabriken, die so viel CO2 in die Luft pumpen. Vor den schmelzenden Polen, vor dem Meer, dass uns nur noch einzelne Inseln übriglässt.“ Er schaut hoch. Emma folgt seinem Blick. „Siehst du das? Da ist kein Himmel mehr. Wir müssen Planen spannen, damit die Sonne uns nicht verbrennt… Wir fliehen vor der Natur, die wir so sehr beraubt haben, dass sie nun uns beraubt, uns unser Leben, unsere Liebsten nimmt.“ Emma steht mit Tränen in den Augen und offenem Mund da. „Und meine Eltern?“, setzt sie flüsternd an. Der Junge schaut sie nur traurig an. „Wie gesagt, wir haben die Natur zu lange gequält…“ Emma hatte das Gefühl, eine Welt brach in ihr zusammen. Also waren ihre Eltern…tot? Sie sank auf den Boden.
„Emmaa, Emmaaaa“ Emma war verwirrt, wer ruft da nach ihr? Sie reibt sich die Augen und schaut direkt in das Gesicht von ihrer Mutter. Ihr Herz macht einen Sprung. „Mama!“, strahlt sie und umarmt ihre Mama so fest sie kann. Alles nur ein Traum. Sie ist zuhause. Mit ihren Eltern. Gleich erzählte sie von ihrem Traum und beschloss eine Liste anzufertigen, um die Welt ein bisschen besser zu machen, sodass ihr Traum nicht wahr werden würde. Sie beschlossen, kein Fleisch mehr zu essen, auf Plastik zu verzichten, viel selbst herzustellen, Fahrrad und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, beim Bauernhof um die Ecke einkaufen zu gehen, einen eigenen Gemüsegarten anzupflanzen, und und und. Sie waren zwar nur eine kleine Familie, aber wenn viele kleine Familien, viele kleine Dinge tun, dann könnten sie gemeinsam der Natur wieder etwas auf die Beine helfen.
Emma war sehr glücklich, nachdem sie diese Liste geschrieben hatten und konnte es kaum erwarten, gleich damit anzufangen. Bald kam auch ihr Vater nach Hause. Sie hörte, wie er vor der Einfahrt parkte und mit mehreren vollbepackten Plastiktaschen in der Hand durch die Türe kam. Ihr Papa musste wohl noch ganz ganz viel lernen…