„Coma? Bist du sicher, dass wir den Drohnen ausweichen können?“, fragt Silent mich.
„Wer weiß, aber Tetra ist die beste, wenn es darum geht, an den Algorithmen herumzuspielen. Wir müssen es riskieren, um die Leute zum Aufwachen zubringen. Ab hier teilen wir uns auf. Bis später!“
Ich stehe auf einem Wolkenkratzer und starre in die Ferne. Mit dieser Aktion werden wir ein klares Zeichen setzen. Wenn die Menschen das sehen, werden sie sicher endlich aufwachen. Soweit ich blicken kann, aus dem Boden ragendes Metall und Beton. Ich schaue nach unten und sehe die Drohnen fliegen. Sie überwachen das komplette Gebiet, um Auffälligkeiten zu melden. Man kann nicht viel auf den Straßen erkennen, aber Menschen laufen dort sowieso kaum noch. Wer würde auch rausgehen wollen, in eine Stadt, die so aussieht. Graue Wände und dazwischen breite Straßen, auf denen selbstfahrende Autos fahren, um Waren zu transportieren. Hauptsächlich liefern sie Lebensmittel zu den Menschen nach Hause. Es gibt Menschen, die ihr Haus das ganze Jahr nicht verlassen. Die virtuelle Realität bietet ihnen einfach viel mehr als die echte Welt.
Aber wenn sie sehen, was wir heute veranstalten, dann werden sie ihre Häuser verlassen und es spüren. Wir bringen Grün in die Stadt! Über ein Jahr hinweg haben wir mit unseren Drohnen viele Tonnen Erde auf alle Wolkenkratzer gebracht, die sich um ein noch unbebautes Gebiet türmen.
Ich krame das Walkie-Talkie aus meinem Mantel heraus und gebe das Signal.
„Go!“
Sofort sehe ich nach unten, die Drohnen verlassen das Gebiet. Tetra hat gute Arbeit geleistet!
„Jetzt! Lasst es Erde regnen!“
Ich stehe mit 5 weiteren Leuten auf dem Dach. Hinter mir der Berg Erde. Wir laden die Erde in ein selbst gebautes Katapult, spannen es und feuern! Ich lehne mich über die Absperrung und kann es kaum fassen. Der Platz wird von allen Seiten befeuert und ist schon jetzt in braun gedeckt! Nun müssen wir noch die Bäume pflanzen.
„Die Erde ist alle! Leute, schnallt euch die Fallschirme um und die Setzlinge an die Beine! Wir müssen uns beeilen!“, rufe ich, kurz bevor ich vollbepackt über das Dach trete und gen Boden falle.
Wieder im Gildenstützpunkt angekommen werden alle beteiligten als Helden gefeiert.
Ich umarme Tetra und bedanke mich für die Drohnen-Ablenkung.
„Wo ist Silent?“ frage ich in die Runde, als er schon im selben Moment um die Ecke kommt.
„Und der da heißt Coma“ sagt er während er auf mich zeigt.
„Er hat immer den Überblick über alles, ist aber nicht der Freundlichste“
„Eh gar nicht war, ich bin nur zu cool“, kontere ich. „Und wer ist das?“
Silent stellt sie uns vor. Sie nennt sich Flidais. Silent entdeckte sie, als sie unsere Aktion mit Tränen in den Augen beobachtete. Sie war so überwältigt, dass sie sich uns sofort anschließen wollte. Ich führe die Führung durch die Gilde zusammen mit Silent fort. Die Gilde ist ein großer Gebäudekomplex, welchen wir uns in der Stadt sichern konnten. Wir versuchen so unauffällig wie möglich zu sein, sodass die Drohnen nicht mitbekommen, was im Inneren vor sich geht.
Als erstes zeigen wir ihr den Nähraum. 10 Nähmaschinen in einer Reihe, ein Stofflager und etliche Kleiderhaufen.
„Wir bekommen die Kleider über unsere Sammelboxen, die wir in der Stadt aufbauen. Das wird aber zunehmend schwerer, da die Menschen weniger rausgehen und die Kleidung lieber wegwerfen. Allerdings haben wir vor Kurzem eine riesige Ladung Altkleider, welche verbrannt werden sollten gekapert und sortieren diese nun aus.“
Nun gehen wir über den Hof in die Werkstatt. Der Hof ist wo nur möglich mit Gemüse und Kräutern bepflanz. In der Mitte steht ein Apfelbaum.
„Hier in der Holzwerkstatt machen wir uns Möbel oder bauen bestimmte Geräte, wie z.B. die Katapulte. Da hinten ist der Elektronik Bereich. Hier sitzen die Bastler oft und entwerfen verschiedene Automatisierungsprozesse, z.B. für das hier:
Silent öffnet ein Tor zu einer großen Halle. Violettes Licht kommt uns entgegen. Zu sehen ist unsere vertikale Aquaponik-Farm.
„Im unteren Bereich schwimmen Fische, deren Exkremente als Nährstoff für die Pflanzen genutzt werden, welche im oberen Bereich wachsen. Dadurch, dass die Pflanzen in Regalen wachsen, können wir extrem viel auf enger Fläche erzeugen. Wir gehen wieder in den Hof, um in ein anderes Gebäude zu gelangen. Hier sanieren wir gerade. Wir bringen einen Lehminnenputz an und dämmen mit Sägespänen, die wir aus der Werkstatt über haben. Den Lehm bekommen wir von weit her, da wo es noch unberührten Boden gibt.“
Sera, die gerade am Putz arbeitet, ruft dazwischen: „Wir waren drei Tage unterwegs, um zu der Lehmstelle zu gelangen, aber es war schön, mal wieder etwas Boden zu sehen“
„Warum macht ihr das alles?“, unterbricht Flidais. „Alles in der Stadt aufzubauen. Unter diesen Bedingungen. Warum sucht ihr euch nicht einfach eine unbebaute Stelle auf dem Land?“
„Ja es ist anstrengend“, erwidere ich.
„Aber es ist das Einzige was wir tun können. In der Stadt sind wir am besten versteckt. Und hier können wir am besten wachsen! Wir bekommen ständig neue Mitglieder, die mitmachen. Menschen die sehen, dass etwas nicht stimmt. Menschen welche die Realität gestalten und retten wollen. Die Rohstoffe werden immer knapper und bald wird das ganze System kollabieren. Und dann werden wir die Einzigen sein, die in der Lage sind zu überleben. Für diesen Fall bereiten wir uns vor. Dann müssen wir hier in der Stadt sein. Wir müssen hier die Systeme kennen und übernehmen. Wir müssen den Menschen zeigen, wie sie Beton in Felder verwandeln und ihre Dächer zur Energiegewinnung nutzen können. Wir arbeiten täglich daran, die notwendigen Fähigkeiten so zu strukturieren, dass ein jeder, welcher Jahre in der virtuellen Welt verbracht hat, in der Lage sein wird, sich wieder in der Realität zu bewegen. Bald gehen die Lichter aus, und dann müssen wir das Licht sein. Wir, die Gilde EmeraldElves."