Mit einem sanften Zischen schließt sich die Tür hinter mir. Ein leichter Sprühnebel fällt auf meine nackte Haut und bringt sie für einen Moment zum Zittern. Schuhe, Schutzanzug, Brille, Atemschutz – inzwischen kenne ich die Prozedur in- und auswendig. Zuletzt klatschen die Gummihandschuhe routiniert an meine Handgelenke. Ich öffne die zweite Tür mit einem Knopfdruck. Mir gefällt der Raum. Die hohen Decken sind hellblau gestrichen. "Um den Himmel nachzumachen – als ob irgendjemand von uns noch weiß, wie der Himmel aussieht", hatte sie mir mit spöttisch verzogenem Mund erklärt.
Ich hatte gespürt, wie hart es sie traf. Die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit. Und dass sie sterben würde, war ihr sofort bewusst. Sie kennt die biochemischen Prozesse des Körpers besser als die meisten Ärzte des Krankenhauses, sie hatte sie jahrelang erforscht. Sie kann jedes Stadium ihrer Krankheit bis ins Detail erklären. "Versuchen Sie gar nicht erst, mir etwas vorzumachen", hatte sie der verschüchterten Assistenzärztin bei meinem ersten Besuch halb scherzend, halb trotzig entgegengeworfen.
Jetzt schaut sie mich über ihr Tablet hinweg an, ringt sich ein kleines Lächeln ab. "Hallo" – "hallo". Ich setze mich auf den flauschigen Samtsessel neben ihr Bett. Berühren ist strengstens verboten. Sie fragt mich nach meinem Tag, wie ist die Arbeit, was machen die Kollegen, das Projekt? Ich versorge sie mit Einzelheiten aus der Gerüchteküche, schmücke sie freimütig aus. Früher hätte sie so etwas nicht interessiert. Aber hier langweilt sie sich schrecklich, sie saugt jedes Wort auf wie ein ausgetrockneter Schwamm. Sie ist stiller geworden mit der Zeit, weniger kämpferisch. "Es dauert nicht mehr lange", sagt sie und weicht meinem Blick aus. Als wäre es ihre Schuld. Mir wird erst eiskalt, dann überkommt mich ein Hitzewall. Meine Hände fangen an zu zittern und ich spüre, wie mir ein paar Tränen die heißen Wangen hinunterlaufen. Sie legt ihren Zeigefinger auf meine Hand. "Bring mich jetzt nicht auch zum Weinen", sagt sie lachend. "Ich möchte dir etwas zeigen." Sie schaltet den Bildschirm gegenüber ihrem Bett ein. Ein Dokumentarfilm. "Diese Bäume waren riesig. Hunderte Meter hoch. Es brauchte sechzehn Menschen, um einen davon zu umarmen. Kannst du dir das vorstellen?" Sie schaut mich mit der Neugierde und Ungläubigkeit eines kleinen Kindes an, mit der ich sie während unseres Studiums kennenlernte.
Damals hatten wir Stunden und Tage gemeinsam damit zugebracht, uns alte Dokumentationen anzuschauen. Uns über die Wesen zu erstaunen, die wir noch nie gesehen hatten oder nur aus den Laboren kannten. Uns zu schwören, etwas zu ändern. Nicht Teil des Problems zu sein, sondern Teil der Lösung.
Ich schaue auf die Uhr. Zeit zu gehen."Ich komme Morgen wieder."
Auf dem Weg von der Arbeit zum Krankenhaus laufe ich durch die riesige Bahnhofshalle. Ihre rohen, grob geschlagenen Granitwände faszinieren mich. Davor hängen Bildschirme, die eine Ausstellung zeigen. Sauerstofftechniken. Als das Massensterben der Pflanzen begann, versuchte man es mit genetisch veränderten Pflanzen. Als das auch nicht mehr half, wurden komplexe Technologien aufgestellt, die CO2 zu Sauerstoff umwandelten. Zu Beginn sahen sie Bäumen ähnlich, doch mit der Zeit mussten sie immer praktikabler werden. Irgendwann wurde der Sauerstoffmangel so schlimm, dass jede Anlehnung an die Natur aufgegeben wurde. Man konnte das Haus nur noch mit Sauerstoffmasken verlassen. Immer größere Teile der Infrastruktur wurden unter die Erde verlegt.
Die einzigen, die heute noch die Höhlen verlassen, sind Techniker und Ingenieure, die für die Wartung und Reparatur der oberirdischen Versorgungsanlagen zuständig sind.
Meine Uhr blinkt hektisch rot auf. Das bedeutet: Notfall. Ich hebe ab: "Ja?". "Es gibt ein Problem im Labor. Du musst schnell hier her kommen." Mist. Ausgerechnet jetzt. "Okay, ich bin sofort da!"
Mit einem sanften Zischen schließt sich die Tür hinter mir. Ein leichter Sprühnebel fällt auf meine nackte Haut und bringt sie für einen Moment zum Zittern. Schuhe, Schutzanzug, Brille, Atemschutz – inzwischen kenne ich die Prozedur in- und auswendig, denn das Labor, dass ich seit Jahren fast täglich betrete, darf nicht kontaminiert werden. Ich arbeite in der weltweit größten Sammlung pflanzlicher Samen. Schon vor dem katastrophalen Sterben hatte man begonnen, Samen von so vielen Arten wie möglich zu sammeln, um sie für zukünftige Generationen aufzubewahren. Mich interessieren besonders die Alten, diejenigen, die es zehn- oder hunderttausende Jahre auf der Erde überlebt hatten, bevor wir ihr Ökosystem zunichte machten. Mithilfe einer Nährlösung sollen sie zu neuem Leben erwachen, um hoffentlich eines Tages wieder auf der Erde wachsen zu können.
Das Problem hatte sich, wie so oft, als eine Ratte herausgestellt. Sie könnte aus einem Labor einer anderen Abteilung ausgebrochen gewesen sein oder zu den wilden Ratten gehört haben, die sich in den unterirdischen Gängen wohl fühlen. Zum Glück hatte sie es in keines unserer Labore geschafft. Ich hasse diese Ratte, obwohl ich weiß, dass sie nichts dafür kann. Sie kann nichts dafür, Krankheiten in sich zu tragen, die wir erst erschaffen haben. Sie kann nichts dafür, dass diese Krankheiten für Menschen gefährlicher sind als für sie selbst. Sie kann nichts dafür, dass sie jetzt tot ist.
Das Krankenhaus rief mich an, kurz nachdem ich meine Abteilung erreicht hatte. Ich wusste sogleich, weshalb. "Es tut mir leid", sagte die Schwester. Ich war zu erschöpft für meine Gedanken. Ich brauchte Ablenkung.
Im Labor ist es still. Ich kontrolliere die Messdaten und die Einstellungen, Temperatur, Licht, Feuchtigkeit. Ein leichtes Summen liegt in der Luft, es beruhigt mich. Ich betrachte die winzigen Samen auf den Nährböden. Sie stammen aus den Untiefen des Samenarchivs und sind erst seit kurzem in meinem Labor. Ich beuge mich über sie, um sie besser anschauen zu können. Bei einigen ist die Hülle aufgebrochen. Die ersten Wurzeln sprießen hervor.