Batterien statt Sprit - Rettung in Sicht?

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Sarah G., 12 Jahre

Er ließ seinen Blick über die endlos weite Atacama-Wüste schweifen. Er betrachtete das
sandige und steinige Gebirge und ließ sich den Wind durch sein Gesicht blasen. Es wirkte
entspannt, wie er da stand, umgeben von nichts als Einsamkeit. Seine Augen fixierten den
Horizont und seine Miene verfinsterte sich. Was er sah, gehörte nicht dorthin: Riesige
Anlagen bedeckten die Wüste, es waren Becken gefüllt mit Wasser, Grundwasser.
Gigantische Mengen. Und dabei litt das Land unter Trockenheit.
Er stand still und unbeweglich da und schaute hinaus in die Ferne, er schien nicht zu
bemerken, dass es um ihn herum anfing, dunkel zu werden. Nach einer Weile, als die ersten
Sterne schon funkelten, drehte er sich seufzend um und ging langsam den Berg hinab. Bald
war seine Gestalt von der Dunkelheit verschluckt.
Es roch gut in der Wohnung, nach einer leckeren Mahlzeit. Catalina stellte eine dampfende
Schüssel Suppe auf den Tisch. Ihre Kinder, die beide keine drei Jahre alt waren, saßen bereits
dort. Sie nahm ebenfalls Platz und blickte seufzend zur Tür. Ihr Mann war immer noch nicht
zurückgekommen.
„Fangen wir schon mal an!“, meinte sie und sie begannen zu essen. Doch immer wieder
schaute sie zur Tür und hoffte, er würde bald kommen, während es draußen immer dunkler
wurde.
Endlich öffnete sich die Tür.
Catalina war aufgesprungen und fiel ihrem Mann um den Hals: „Felipe! Komm, wir haben
schon angefangen.“
Er bewegte sich in Richtung des Tisches und setzte sich. Er nahm sich etwas Suppe auf den
Teller, doch viel aß er nicht.
„Ist alles in Ordnung, Felipe?“
In Gedanken versunken hörte er ihr nicht zu.
„Felipe! Wie war dein Tag?“
Er fuhr zusammen: „Was, wie bitte? Ach, …es hat sich nichts verändert.“
Es folgte Schweigen und es war, als würde sich niemand so recht trauen, die gemeinsame
Sorge anzusprechen.
„Schlecht wie immer, also.“, meinte Catalina schließlich. Er nickte nur stumm.
An diesem Abend legte er sich früh schlafen.
Felipe hatte die Wohnung schon vor Tagesanbruch verlassen und war auf dem Weg zu seiner
Farm. Sie bestand aus einem kleinen Garten und einem Stall, in dem seine Ziegenherde
untergebracht war. Felipe begann, die Ziegen zu melken. Die Farm war sein einziger
Lebensunterhalt. Es war nicht viel, was er damit verdiente, aber es hatte für das bescheidene
Leben der Familie gereicht. Bisher. Doch die Milch war weniger geworden: Aufgrund des
stärkeren Wassermangels produzierten die Ziegen nicht mehr genug Milch, um davon leben
zu können. Bald würde er sich einen neuen Job in der Stadt suchen müssen, die Familie
müsste dann umziehen, die gemütliche Wohnung verlassen und die Ziegen verkaufen. Es
wäre furchtbar.
Nach dem Melken ließ Felipe die Tiere auf der vertrockneten Wiese der Farm weiden, auf
der sie einst reichlich Futter fanden.
Er betrachtete das ausgetrocknete Bett des Baches, der früher ausreichend Wasser geführt
hatte, dass das Gras ein wenig wuchs und die Ziegen genug zu Trinken hatten.
Doch das war vorbei und das war die Schuld des Lithiumabbaus in der Atacama-Wüste. Das
Grundwasser wurde in Becken gesammelt und verdunstete in der Hitze. Nach
Weiterverarbeitung der gewonnenen Substanz entstand Lithium, welches so begehrt war. Es
wurde nicht nur für Akkus von Handys gebraucht, sondern erst recht für die wesentlich
größeren Akkus, die Elektroautos benötigten. Lithium wurde in Massen abgebaut, sodass in
Europa weniger Abgase entstanden, sodass die Umwelt in Europa besser geschützt wurde.
Die Hersteller interessierten sich aber nicht für Chile, nicht für die Einheimischen. Nur für die
Elektroautos, nur für Geld, von dem sie sowieso schon zu viel hatten. Und die Käufer
glaubten, sie würden so den Planeten retten.
Am Abend verließ er schließlich die Farm und ging zurück nach Hause. Er dachte noch immer
an die Lithium-Minen.
Felipe ließ sich auf den schäbigen Sessel der Wohnung fallen und schaltete den Fernseher
an. Die Auflösung war schrecklich, aber mehr konnte er sich nicht leisten.
Es liefen Nachrichten. Er hörte nur mit halbem Ohr zu. Doch dann fiel ein Wort, welches
sofort seine Aufmerksamkeit erregte: Lithium.
„Die Lithium-Minen schaden den Einheimischen, das von Trockenheit geprägte Land leidet
noch stärker unter Wassermangel.“, sagte die Nachrichtensprecherin, „Forscher haben
gestern bekanntgegeben, dass sie eine neue alternative Batterie entwickelt haben, die kein
Lithium enthält. Diese Biobatterie soll zukünftig die Akkus von beispielsweise Elektroautos
ersetzen. Wirtschaftsexperten erwarten, dass dadurch bis zu 4500 Arbeitsplätze in Chile
verloren gehen werden.“
Gedankenverloren starrte Felipe auf den Bildschirm des Fernsehers. Biobatterien… Was
würden sie für ihn bedeuten? Wenn weniger Lithium abgebaut werden würde, würde
weniger Wasser gebraucht werden… und der Bach würde wieder fließen, das Gras wieder
wachsen. Dann würden die Ziegen mehr Milch geben und er würde mehr verdienen! Sie
könnten weiterhin in ihrer Wohnung leben und müssten nicht umziehen.
Felipe bemerkte nicht, dass die Sendung vorbei war und Werbung lief. Er beachtete nichts
mehr, er dachte nur noch an Biobatterien. Würden sie tatsächlich die Lösung sein?
Catalina schlief schon, doch er war noch hellwach, er konnte nicht zur Ruhe kommen. Er
wälzte sich im Bett hin und her.
Der Lithiumabbau beschäftigte Felipe noch zu sehr. Könnten die Biobatterien wirklich etwas
ändern? Könnte er so seine Farm weiterführen und seine Familie ernähren? Er wusste es
nicht. Ohne die Elektroautos wäre es erst gar nicht so schlimm geworden.
Das Problem der Abgase in Europa war zwar jetzt gelöst. Doch eigentlich war das Problem
nur auf einen anderen Teil der Erde verschoben worden. In Wahrheit war der Planet noch
nicht gerettet.

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Autorin / Autor: Sarah G., 12 Jahre