So sieht es also aus, wenn ein Glühwürmchen stirbt
Autorin: Maike Voß
"So sieht es also aus, wenn ein Glühwürmchen stirbt" beginnt mit einem Anfang, der in einem anderen Buch durchaus das Happy End sein könnte. Leon und Viola sind seit über einem Jahr Freunde. Nach einer Feier verbringt Viola die Nacht in Leons Wohnung, da sie ihren Schlüssel vergessen hat und dort führt eins zum anderen.
Die beiden gestehen sich gegenseitig ihre Liebe, und dennoch wacht Leon am nächsten Morgen alleine im Bett auf. Wieso hat Viola sich aus dem Staub gemacht, ihre Nummer gelöscht und Leon über Monate hinweg nie zu sich nach Hause mitgenommen, obwohl die beiden füreinander bestimmt zu sein scheinen?
Die ersten Kapitel überrumpeln den Leser regelrecht, bevor man einen Draht zu Leon und Viola entwickeln kann und insbesondere Violas Beweggründe versteht, warum sie nach der gemeinsam mit Leon verbrachten Nacht, die der Beginn einer wunderbaren Beziehung hätte sein können, klammheimlich das Weite gesucht hat. Wenn man jedoch die ersten Kapitel bewältigt hat, kann man sich dem Sog der Geschichte und dem wunderbaren Schreibstil von Maike Voß nur noch schwer entziehen.
Zu Leon konnte ich zwar eine bessere Verbindung als zu Viola knüpfen, dennoch sind Violas Beweggründe für ihr Verschwinden nachvollziehbar, wenn man die Details ihrer vorherigen Beziehungen erfährt. Im späteren Verlauf der Geschichte zieht man zudem aus dem Verhältnis zwischen Viola und ihren Eltern den Schluss, dass hier eine der Ursachen für Violas verkorkstes Selbstbewusstsein liegt und kann sich dadurch besser in sie hineinversetzen.
Einiges an Violas Beziehungsdramen ist selbstverschuldet, da Viola nach der ersten schweren Enttäuschung häufig nur noch das Verhalten ihrer Freunde interpretiert hat, anstatt mit ihnen zu reden und sich darüber hinaus in Beziehungen verrannt hat, um Vergangenes zu vergessen.
Es ist tragisch, wie weit einen mangelndes Selbstwertgefühl treiben kann. Viola treibt es auf die Spitze, man bekommt das Gefühl, dass sie der Meinung ist, dass sie es gar nicht verdient glücklich zu werden, weil sie sich "beschädigt" fühlt und dies niemandem zumuten will, an dem ihr wirklich etwas liegt - Leon.
Doch auch Leon verschweigt Viola in ihrer monatelangen Freundschaft wichtige Dinge über sich und hat Violas Vertrauen möglicherweise so verspielt ohne es jemals gewonnen zu haben.
Es tut wirklich weh, zwei Menschen leiden zu sehen, die sich gegenseitig Halt und Liebe hätten geben können :(
Maike Voß treibt ein perfides Spiel mit den Gefühlen ihrer Protagonisten, aber auch mit denen ihrer Leser. Statt Leon und Viola getrennte Wege gehen zu lassen, führt das Schicksal die beiden wieder zusammen, um sie anschließend erneut zu trennen. Es ist zu viel zwischen den beiden vorgefallen, um sie nochmals an dem Morgen nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht anknüpfen zu lassen. Oder sollten die beiden doch noch eine zweite Chance bekommen?
Egal, was ich aus dem Buch bis zu den letzten beiden Kapiteln mitgenommen hätte... Allein das Ende verdient es, dass man dieses Buch liest! Ich feiere Maike Voß für ihre Idee und ihren Mut, die Geschichte von Leon und Viola auf diese Art enden - oder beginnen? - zu lassen.
Ob das Glühwürmchen - wie Leon Viola, beziehungsweise ihr Leuchten, bezeichnet - am Ende stirbt, das muss jeder Leser selbst erkunden. Ich kann nur so viel verraten, dass Maike Voß es auch am Ende weder ihren Charakteren noch ihren Lesern einfach macht. Das Buch lässt einen, auch nachdem der Deckel über der letzten Seite zugeklappt ist, noch lange nicht los!
*Erschienen bei bold*
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Autorin / Autor: anette1809 - Stand: 10. April 2019