Flauschig? wertvoll? Was mit Feuer?

Forscher_innen des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig: 49 Merkmale genügen, um alle Objekte zu erkennen

Damit wir uns auf einen Stuhl setzen können, müssen wir erstmal kapieren, dass es einer ist. Auch ist es nicht schlecht, Feuer als solches zu erkennen oder ein Glas, aus dem man trinken kann. Um unserer Umgebung einen Sinn zu geben, müssen wir darum ständig die aktuell eintreffenden Informationen mit denen abgleichen, die wir bereits gelernt haben. Dazu zerlegt das Gehirn ein Objekt in seine einzelnen Eigenschaften, gleicht die mit bereits Bekanntem ab und setzt die Eigenschaften anschließend wieder zusammen. Je nachdem, wie ähnlich das Betrachtete zu einer bekannten Kategorie ist, wird es dann beispielsweise als Möbelstück oder Gefäß erkannt. Bislang ist jedoch unklar, wodurch wir Dinge als ähnlich oder weniger ähnlich betrachten – welche Eigenschaften es also sind, die uns Objekte erkennen lassen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben nun in Zusammenarbeit mit dem National Institute of Mental Health in Bethesda, USA, herausgefunden, dass es genau 49 Eigenschaften sind, nach denen wir beinahe alle Objekte bestimmen können. Das sind zum einen die Farbe, die Form und die Größe, aber auch, dass etwas „was mit Natur zu tun hat", „sich bewegen kann“, „wertvoll“ oder „was mit Feuer“ ist. Die Forscher hatten nach einem Set an Merkmalen gesucht, das benennbar und minimal hinreichend ist, also möglichst wenige Merkmale enthält und dennoch ausreichend groß ist, um alles beschreiben zu können.

„Unsere Ergebnisse zeigen, wie wenige Eigenschaften es eigentlich braucht, um alle Objekte in unserer Umgebung zu charakterisieren“, sagt Martin Hebart, Erstautor der dazugehörigen Publikation. Das Gehirn schlüsselt demnach die Umgebung anhand von insgesamt 49 Merkmalen auf, nach denen es alle Objekte kategorisiert. „Daraus lässt sich auch ableiten, was als besonders ähnlich und was als besonders typisch für eine Kategorie empfunden wird“, so der Neurowissenschaftler weiter. Ob also etwa die Muschel oder der Hund als typischeres Tier wahrgenommen wird. „Im Grunde erklären wir damit die Grundprinzipien unseres Denkens, wenn es um Objekte geht.“

Die Ergebnisse könnten aber auch medizinisch genutzt werden. Bislang glaubte man etwa, dass Patienten, die wegen einer Hirnschädigung bestimmte Tiere nicht identifizieren können, Lebewesen insgesamt nicht erkennen. Womöglich hat der Betroffene aber ein Defizit darin, die Eigenschaft „flauschig“ zu erkennen, die den Tieren zugrunde liegt. Daraus leiten sich dann möglicherweise andere Therapieformen ab.

Untersucht das Forschungsteam diese Zusammenhänge mithilfe von fast 2.000 Abbildungen von Objekten, die repräsentativ für alles aus unserer Umgebung sind. Den Teilnehmenden der Studie zeigten sie dann jeweils drei der Bilder gleichzeitig, zum Beispiel Koala, Hund und Fisch, aber auch Koala, Türvorleger und Brezel. Daraus sollten die Teilnehmer jeweils eines auswählen, das sie als unterschiedlicher wahrnehmen als die anderen beiden. In letzterem Falle war das für die einen womöglich der Koala, weil er im Gegensatz zu den anderen beiden ein Lebewesen ist oder als „nicht flach“ betrachtet wird. Für andere mag das die Brezel gewesen sein, weil Türvorleger und Koala flauschig sind oder man nur die Brezel essen kann. Für wieder andere war es der Türvorleger, weil dieser aus anorganischem Material besteht. Die Antworten sind also nicht immer eindeutig, heben dadurch aber die relevanten Eigenschaften hervor, um auf diese Weise alle Kerneigenschaften herauszufinden.

Die Forschenden testeten so mithilfe von knapp 5.500 Teilnehmern fast 1,5 Millionen Dreier-Kombinationen. Daraus entwickelten sie ein Computermodell, nach dem sie berechnen konnten, welches Objekt am wahrscheinlichsten in der jeweiligen Kombination aussortiert wird. Je häufiger zwei Objekte drin bleiben werden, desto ähnlicher sind sie sich. Dabei zeigte sich: Anhand ihres Modells konnten die Wissenschaftler_innen sehr präzise die Ähnlichkeit zweier Objekte vorhersagen. Es lieferte zudem die 49 Kerneigenschaften, die es uns ermöglichen, nach einfachen Kriterien unsere Welt zu sortieren.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung